piwik no script img

Aus Sicht der Entdeckten

■ Neun lateinamerikanische ReferentInnen auf dreitägigem Kongreß

Lateinamerika 500 Jahre nach Kolumbus: Ein Kontinent lebt unter WellblechFoto: Archiv

„Ich will versuchen, die Menschen dieses Landes zu erreichen, das wirtschaftlich wirklich hochentwickelt, menschlich aber unterentwickelt ist.“ Mit diesem Vorsatz ist die Mapuche-Indianerin Rayen Kvyeh aus dem Süden Chiles nach Bremen gekommen. Zusammen mit acht weiteren lateinamerikanischen WissenschaftlerInnen und politischen AktivistInnen wird sie an diesem Wochenende am „Forum America Latina 1992“ teilnehmen, das zeitgleich in Bremen, Hannover und Hamburg stattfindet. Passend zum Kolumbus-Jubiläum sollen „Geschichte und Widerstand aus der Sicht der Entdeckten“ beleuchtet werden (vgl. un

hier bitte das

Foto mit den Holzhütten

tenstehenden Programmkasten).

Die ReferentInnen wollen nicht nur einen Überblick über den Stand der aktuellen lateinamerikanischen Diskussion geben, sondern auch ganz konkret auf die Beteiligung Deutschlands an Ausbeutung und Zerstörung ihres Kontinents hinweisen. „Zum Beispiel baut Siemens zur Zeit sechs Wasserkraftwerke in der chilenischen Andenregion“, berichtete Rayen Kvyeh gestern vor der Bremer Presse, „dabei wird uns Mapuche Land weggenommen und durch Abholzen und Überfluten uralter Wälder ein ganzes Ökosystem zerstört.“

Durch Zuschüsse von Bund und Ländern sowie des Solidari

tätsfonds der Grünen konnten die Kongreßkosten von rund 100.000 Mark weitgehend gedeckt werden, so daß kein Eintrittsgeld gezahlt werden muß. Stattdessen rufen die VeranstalterInnen zu Spenden für das „Projekt Flickzeug“ auf, mit dem kubanischen Kliniken dringend benötigtes chirurgisches Nahtmaterial verschafft werden soll.

Umstritten war jedoch ein Passus des zugehörigen Aufrufes, in dem lediglich die „Auswirkungen der Wirtschaftsblockade“ dafür verantwortlich gemacht werden, daß das innenpolitische Klima Kubas „in der Weise leidet, daß Kritik an der Regierung häufig nicht zugelassen bzw. manchmal sogar bestraft wird“. Amnesty International hatte dagegen in letzten Berichten von systematischer Verfolgung intellektueller Oppositioneller und schwerer Folter berichtet. „Wir hatten erst eine schärfere Formulierung im Entwurf der Erklärung, aber in der rund 30köpfigen Vorbereitungsgruppe aus den drei Städten konnten wir die nicht durchsetzen“, sagte Andreas Müller, Mitglied der Bremer Vorbereitungsgruppe. Unter den acht zur Pressekonferenz anwesenden lateinamerikanischen ReferentInnen wollte sich keineR zur Situation in Kuba äußern. „Das ist Sache der Kubaner“, sagte zum Beispiel die Chilenin Rayen Kvyeh. Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen