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Serbien denkt nicht an Kurskorrektur

■ Genscher will UN-Sicherheitsrat zur Sitzung über Bosnien veranlassen/ Kein Wort über Sanktionen oder Aberkennung des KSZE-Sitzes Serbiens/ Carrington vermittelt Waffenstillstand in Sarajevo

Aus Bonn Andreas Zumach

„Dümmliche Dünnbrettbohrerei!“ Das war noch einer der freundlicheren Journalistenkommentare nach der gemeinsamen Pressekonferenz von Bundesaußenminister Hans- Dietrich Genscher und Hans van den Broek (Niederlande) gestern mittag in Bonn. Einmal mehr demonstrierten sie die Macht- und Einflußlosigkeit Westeuropas angesichts des Krieges in Kroatien und Bosnien- Herzegowina. Auch wenn dieser seit Tagen eskaliert und immer mehr Opfer findet, soll es bei den einmal festgelegten Fristen bleiben: Weiterhin hat die Regierung in Belgrad Zeit bis zum Mittwoch nächster Woche, um sich zur Einhaltung der Prinzipien von KSZE und EG zu erklären. Erst am 1./2. Mai wollen die EG-Außenminister beraten. Zuvor tagt die KSZE auf der Ebene hoher Beamter der 51 Außenministerien. Die beiden Außenminister kündigen eine Initiative unter ihren zehn EG-Amtskollegen an, um den UNO-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zur Lage in Bosnien zu veranlassen.

Ob bei den Beratungen von EG und KSZE in der kommenden Woche konkrete Maßnahmen gegen Serbien beschlossen werden, erschien nach der gestrigen Pressekonferenz Genschers und van den Broeks eher wieder unwahrscheinlich. Das Wort Sanktionen vermieden beide Minister sorgfältig. Von einer Aberkennung der KSZE-Mitgliedschaft für Rest-Jugoslawien war ebenfalls nicht mehr die Rede. Der Eindruck unter Bonner Beobachtern: Der Bundesaußenminister ist kräftig zurückgerudert. Dabei hatte der serbische Außenminister Vladislav Jovanović bei einem Gespräch mit Genscher am frühen Morgen und danach vor der Presse überdeutlich gemacht, daß die serbisch dominierte Regierung in Belgrad gar nicht daran denkt, ihren Kurs zu korrigieren. Jovanović erklärte, für die kriegerischen Auseinandersetzungen in Bosnien-Herzegowina trage nicht die vom jugoslawischen Rumpfpräsidium kommandierte Bundearmee die Verantwortung. Diese habe erst eingegriffen, als sie von kroatischen Verbänden angegriffen worden sei. Tatsächlich sei die Präsenz der Bundesarmee in Bosnien-Herzegowina ein „stabilisierender Faktor“. Jovanović lud Genscher zu einem Besuch in Belgrad ein. Der Bundesaußenminister solle sich an Ort und Stelle informieren und könne dabei seine „einseitigen Informationen“ korrigieren. Laut Jovanović hat Genscher bei dem Gespräch nur in allgemeiner Form über die Notwendigkeit gesprochen, die Gewalt überall im ehemaligen Jugoslawien zu beenden. Eine entsprechende konkrete Aufforderung an die Serben habe der Bundesaußenminister nicht ausgesprochen.

Nach Darstellung des Auswärtigen Amtes hat Genscher in dem Gespräch den „unverzüglichen Rückzug“ der sogenannten „jugoslawischen Volksarmee“ aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina gefordert. Die serbische Regierung trage für diese Armee und ihre Handlungen „die volle Verantwortung“. Auf entsprechende Fragen räumte Genscher vor der Presse ein, daß er nach dem Verlauf des Bonn-Besuches von Jovanović eher „entmutigt“ sei und selber nicht damit rechne, daß die für heute angekündigte Erklärung der serbischen Führung substantielle Fortschritte erbringe.

Lord Carrington erfolgreich

Doch die EG versucht noch immer, vor Ort im Bürgerkrieg zu schlichten. Der Vorsitzende der EG-Friedenskonferenz, Lord Peter Carrington, und der EG-Ratspräsident, der portugiesische Außenminister Joao de Deus Pinheiro, trafen am Donnerstag in Sarajevo zu neuen Gesprächen ein. Nach einem Treffen mit dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović und Vertretern der Moslems, Serben und Kroaten kam es nach Angaben von Pinheiro zu einem sofortigen Waffenstillstand. Die Vertreter der Konfliktparteien wollen außerdem am 27. April ihre Verhandlungen über die Zukunft Bosniens in Lissabon fortsetzen. Nach diesem Treffen wollten die Vermittler weiter nach Belgrad fahren, um mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosević und Verteidigungsminister Blaogoje Adzic zu sprechen. Auch mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman ist eine Unterredung geplant. Carrington macht für den Krieg in Bosnien neben den Serben auch die Kroaten und die moslemische Minderheit verantwortlich. Die UNO beschloß, wegen der anhaltenden blutigen Gefechte in der Region von Mostar 100 „Blauhelme“ zu stationieren. UN-Generalsekretär Butros Ghali folgte damit einer Empfehlung des Kommandanten der UN-Friedenstruppen in Kroatien, Satish Nambiar, auch nach Bosnien Beobachter zu entsenden. Unterdessen traf der französische Gesundheitsminister Bernard Kouchner mit einer Lieferung der medizinischen Hilfsgüter in Sarajevo ein. Das öffentliche Leben in der Stadt war auch gestern fast gelähmt.

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