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Rund, human und oben offen

■ Shakespeare-Company benefizt fürs Londoner „Globe-Theater“ / Festival geplant

Eigentlich muß man sich bei McCarthy bedanken: Hätte er zur Zeit der Unamerikaner-Verfolgung nicht Mr.Sam Wanamaker „blacklisted“, also verfolgt, hätte es den 1919 in Chicago geborenen Schauspieler nicht für 40 Jahre nach England verschlagen. Er sah, was die Londoner aus Gründen der Betriebsblindheit nicht sehen konnten: In bester Themse- Lage, gegenüber von St.Paul's Cathedral, lag ein kulturhistorisch durchtränkter Boden brach. Dort hatte von 1599 bis 1613 das erste „Globe-Theatre“ gestanden, in dem und für das William Shakespeare z.B. „Heinrich V.“, „Was Ihr wollt“ und „Hamlet“ herausbrachte. Ein für echte Shakespeare-Enthusiasten ungleich mythischerer Ort als des Dichters Geburtsort Stratford-on-Avon, wohin Pilger heute gehen müssen, um Shakespeare zu erleben. Sam Wanamaker hatte fortan einen Traum: Das „Globe“ so original wie möglich wieder aufzubauen und mit einem Center für Shakespeare-Forschung, Shakespeare-Lehre und Shakespeare- Anbetung zu verbinden.

Dieser Traum wird wahr! Das teilte Wanamaker gestern der Presse mit. Und wir, Sie, ich und alle netten Konzerne und Geschäftsleute können mithelfen. Unsere lokale Shakespeare-Connection, die gleichnamige Company, ist mit fliegenden Fahnen dem Projekt International Shakespeare Globe Centre, London beigetreten und hat am Donnerstag (428.Geburtstag des Alten) eine Benefiz-Vorstellung der „Lustigen Weiber von Windsor“ gegeben: 7.000 Mark für Mr.Wanamaker-Moneymaker. Denn sein Traum ist mittlerweile in der ersten Bauphase, und jetzt wird weltweit gesammelt und gebenefizt. Auch in Bremen.

Die Größe des Meisters korrespondiert mit der Macht des Windes, den die Shakespeare-Company in Bremen macht: Man hat die Kultursenatorin Helga Trüpel gewonnen, die „Schirmherrschaft“ für die Bremer „Globe“- Aktivitäten zu übernehmen; sie soll ihre Kultusminister-KollegInnen zur Mitarbeit überreden. Schulen und die Uni wollen mitmachen, und die Company selbst will bundesweit die Theatermacher anregen, über Benefize und „Globe-Groschen“ (ein Groschen auf jede Eintrittskarte) nachzudenken. Immerhin werden in der Spielzeit '92/'93 hierzulande ca. 100 Shakespeare-Inszenierungen aufgeführt. Gäbe jedes Theater eine Benefizvorstellung: Millionen sollten da zusammenkommen.

Insgesamt müssen es umgerechnet ca. 54 Millionen Mark sein, die das Projekt kostet (vgl. Umbau Goethetheater: 24 Millionen). Wer kein Geld hat, spendet Sachen. Aus Neuseeland ist derzeit ein riesiger Theatervorhang unterwegs, der von 500 Näherinnen genäht wurde. Die USA schicken den Baustahl, in England wurden 125 riesige Eichen gestiftet. Anfang nächsten Jahres wird man spielen können, Anfang '94 soll das neue „Globe“ fertig sein.

Doch zuvor plant Bremen ebenfalls Großes: ein internationales Shakespeare-Festival 1993 oder 1994. Helga Trüpel bastelt schon an einer Finanzierung. Die Idee stammt selbstredend von der Company, die sowohl mit dem Festival als auch mit dem „Globe“- Engagement international nach Anschluß sucht. Das ist der eine Grund, warum die Shakespeares, die auch nicht gerade im Geld schwimmen, das „Globe“-Projekt unterstützen. Der andere: Norbert Kentrup hat das Spielen in solch einem runden Raum, wo die Akteure vom Publikum in mehreren Etagen umgeben sind, in Neuss kennengelernt, wo ein „Globe“-Nachbau steht. „Es ist die humanste Theaterarchitektur, die ich kenne,“ sagt er, „und da merkt man auch, wie ein Vers gesprochen werden muß: zum Ende hin mit Ton und Blick hoch — zu den oben sitzenden Zuschauern.“

In London wird Kentrup bei solchem Deklamieren möglicherweise Regen in die Augen tropfen: Das „Globe“ ist oben offen. Sam Wanamaker zum Londoner Wetter: „They did it in Shakespeare's time, and we can do it too.“ Bus

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