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Waigel verteidigt Schuldenberg

Vor der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds betonte Bundesfinanzminister Waigel den Sparwillen der Bundesregierung, der an der Härte in den Tarifverhandlungen abzulesen sei  ■ Aus Washington Donata Riedel

Das kräftige Frühstück im Washingtoner Hotel Vier Jahreszeiten konnte Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) gestern morgen gut brauchen. Das anschließende Treffen mit seinen Kollegen aus dem Club der sieben reichsten Industriestaaten (G-7) USA, Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada, dürfte für den Minister, der den höchsten deutschen Nachkriegs-Schuldenberg aufgetürmt hat, nicht angenehm verlaufen sein. Besonders die US- Amerikaner kritisierten im Vorfeld der heute beginnenden Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF), daß die Kosten der deutschen Einheit über die hohen Zinsen auf die anderen westeuropäischen Länder abgewälzt werden.

Denn weil die D-Mark die bestimmende Währung im Europäischen Währungssystem ist, können die EG-Nachbarländer ihre Zinsen nicht senken — und bremsen so unfreiwillig das eigene Wirtschaftswachstum. Es sei an der Zeit, so der US-Finanzstaatssekretär David Mullford vergangene Woche, daß die Westdeutschen die Kosten der Einheit bei sich zu Hause einsparen.

„Ich denke überhaupt nicht daran, mich hier von einem Unterstaatssekretär auf die Anklagebank setzen zu lassen“, erklärte dazu Waigel. IWF- Direktor Michael Camdessus habe sich am Samstag abend „überschwenglich“ zu den Sparabsichten der Bundesregierung geäußert. Danach soll der Bundeshaushalt in den nächsten Jahren weniger als die gesamte Volkswirtschaft wachsen, die Neuverschuldung unter drei Prozent bleiben — trotz der hohen Zinsen für den bereits vorhandenen Schuldenberg und trotz der 20 Milliarden Mark an Steuerentlastungen, die der Bund für den Wegfall des Solidaritätszuschlags, die Unternehmenssteuerentlastung und den Familienlastenausgleich in diesem Jahr ausgeben will. „Wir haben schließlich keinen Streik gescheut, um die Belastung der öffentlichen Haushalte gering zu halten“, sagte Waigel.

Ebenfalls gut frühstücken mußte gestern der russische Premier und Wirtschaftsreformer Jegor Gaidar. Die G-7-Finanzminister empfingen ihn nach den mittäglichen Hauptgängen lediglich zum Dessert. „Wir brauchen verläßliche Partner in Rußland, die auch nicht ständig wechseln dürfen“, sagte Waigel als Grundbedingung dafür, daß das geplante IWF-Hilfsprogramm von 24 Milliarden US-Dollar anlaufen kann.

Regierungsbeamte gingen gestern davon aus, daß die G-7-Finanzminister der IWF-Aufnahme der Ex-UdSSR und dem Hilfsprogramm grundsätzlich zustimmen werden. Das Aushandeln der Bedingungen soll dem IWF überlassen bleiben. Dessen Direktor Camdessus hatte sich allerdings vergangene Woche skeptisch über die russischen Wirtschaftsreformen geäußert.

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