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„Noch haben die Leute Verständnis“

■ Zweiter Streiktag: Kindergärten und Mülldeponie dicht

Bremer Kita: Die Ruhe während des SturmsFoto: Tristan Vankann

Am zweiten Streiktag im öffentlichen Dienst haben die Gewerkschaften die ersten empfindlichen Nerven Bremens gekitzelt: Gestern waren die 72 öffentlichen Kindertagesheime dicht, nach Angaben der Gewerkschaft ÖTV blieben 6.000 Kinder ohne staatliche Betreuung, die Behörde sprach dagegen von 8.700 Kindern, die nicht betreut wurden. Der Streik in den Kitas wird heute fortgesetzt, für morgen früh 10 Uhr hat der Gesamtpersonalrat die Bediensteten zu einer öffentlichen Sprechstunde auf dem Marktplatz eingeladen. Damit dürften auch am Donnerstag die meisten der 339 Kindergartengruppen und 137 Hortgruppen geschlossen bleiben.

Die Bremer Bevölkerung reagierte nach dem Eindruck von Streikposten vor den Kitas überwiegend solidarisch mit den Bediensteten. Viele Eltern waren vorgestern nachmittag schon angerufen und über den Streik informiert worden. In privater Initiative wurden Spielplätze vermittelt. „Noch haben die Leute Verständnis“, erzählten gestern die streikenden Mitarbeiter des KTH Thedingahuser Straße. Hier wie in vielen anderen Kindergärten liegt der Anteil alleinerziehnder Elternteile um die 50 Prozent. „Die meisten kommen in große Schwierigkeiten, weil die Kinder nicht auf jede Arbeit mitgenommen werden können.“

Weiter blockiert ist die Zufahrt

zum Industriehafen, weil das Hafenamt bestreikt wird. Auch gestern wurden wieder Schiffe nach Emden und Leer umdirigiert. Außderdem streikten die Mitarbeiter der Müllverbrennungsanlage und der Deponie. „Wir haben deshalb den Müll gar nicht erst einsammeln lassen“, erklärt der Leiter des Amtes für Abfallwirtschaft, Dieter Voigt. Ab heute werden auch die 200 Müllwerker streiken. Voigt empfiehlt den Bremern, ihren Müll in Säcken zu sammeln, bis der Streik vorbei ist. Auch die Mitarbeiter der Ämter für Soziale Dienste Nord und Süd streikten. Wenn die Sozialämter weiter bestreikt werden, muß sich die Behörde kurzfristig einen neuen Auszahlungsmodus für Sozialhilfeempfänger überlegen.

Die Deutsche Postgewerkschaft hat den Briefverkehr im Briefeingangsdienst lahmgelegt. 180 Postsortierer traten in der vorletzten Nacht in den Ausstand. Seit gestern 16.00 Uhr wird der Briefdienst bestreikt. „Kein Brief kommt nach Bremen herein oder hinaus“, erklärte Harald Schütz, Bezirksvorsitzender der Deutschen Postgewerkschaft. Die Gewerkschaft der Eisenbahner hat für heute nacht oder morgen früh Störungen im Personenverkehr angekündigt.

Zu einer ersten Auseinandersetzung zwischen den Tarifparteien kam es gestern vor dem Bremer Arbeitsgericht. Am Montag hatten nach Angaben der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) Streikposten vor dem Statistischen Landesamt für Beamte den Eingang zum Amt blockiert. In einem Vergleich erklärte gestern der ÖTV-Vertreter, daß er „erneut alle Streikposten“ auffordern werde, „Arbeitskampfmaßnahmen nicht mit Hilfe von Blockaden durchzusetzen.“

Ein Ende der Streiks ist bislang nicht absehbar. Holger Wohlleben, ÖTV-Vorsitzender im Bezirk Weser-Ems, erklärte gestern: „Die öffentlichen Arbeitgeber sind bisher noch nicht von ihrer starren Haltung abgerückt, deshalb werden die Streiks fortgesetzt.“ Nach einem Beschluß des ÖTV-Hauptvorstandes in Stuttgart erhalten alle Steikenden pro Tag an Streikgeld das dreifache ihres Monatsbeitrages in die Gewerkschaftskasse (= ein Prozent vom Bruttolohn) plus fünf Mark für jedes Kind. mad

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