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Krauses Wellenschlag erreicht Berlin

■ Der Bundesverkehrsminister lockert Fahrverbot für Motorboote auf Berliner Gewässern/ Empörung im Senat/ Neue Regelung bedroht Ufervegetation

Berlin. Die Entscheidung von Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU), den Motorbooten auf den Berliner Gewässern zukünftig weitgehend freie Fahrt einzuräumen, ist gestern im Senat einhellig auf Empörung gestoßen. Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) sprach von einem »Affront« gegen die Vorstellungen des Senats. Besonders enttäuscht zeigte sich Hassemer, daß die Berliner Linie keine Berücksichtigung gefunden habe: »Krause tut gerade so, als ginge es um Motorbootfahren auf dem Rhein«, so Hassemer. Senatssprecher Dieter Flämig kündigte gestern an, daß noch in dieser Woche Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) ein »persönliches Gespräch« mit Krause führen und ihn zum Einlenken ermuntern wolle. Flämig wies zugleich Vorwürfe zurück, wonach der Senat zu spät gehandelt habe.

Nach Krauses Verordnung, die am 1. Mai in Kraft treten soll, wird die bisherige Berliner Regelung deutlich aufgelockert. An die Stelle des bisher in West-Berlin geltenden Fahrverbots an jedem ersten und dritten Wochenende eines Monats tritt nun ein befristetes Mittagsfahrverbot. Es wird an den Wochenenden und Feiertagen ab Mittag für drei Stunden in Kraft sein. Erhöht wird auch die Geschwindigkeitsbegrenzung von bisher 12 auf 25 Kilometer pro Stunde. Nur in einem 100 Meter vom Uferbereich verlaufenden Schutzstreifen darf nicht schneller als sieben Kilometer pro Stunde gefahren werden. Eine gesonderte Regelung betrifft den Müggelsee: Hier ist neben einem allgemeinen Fahrverbot (von Kilometer 3,8 bis Kilometer 7,9) eine Fahrinne vorgesehen, in die Anlieger auf dem kürzesten Weg ein- und ausfahren dürfen.

Der Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft in der Senatsumweltverwaltung, Klaus-Jürgen Delhaes, nannte die Verordnung gestern »eine Rücknahme all dessen, was wir uns hier im Westteil der Stadt angewöhnt haben«. Was im Röhrichtschutz erreicht worden sei, werde »nun auch noch zurückgenommen«. Seit 1983 gebe Berlin jährlich zwischen 2,5 und drei Millionen Mark für den Schutz der Ufervegetation aus. Eine Möglichkeit zur Erholung des Röhrichts sei bisher die Geschwindigkeitsbegrenzung auf zwölf Kilometer pro Stunde gewesen. Neben dem erhöhten Wellenschlag werde nun auch die Umwelt mit zusätzlichem Lärm belastet.

Keine einhellige Meinung zur neuen Regelung existiert in den betroffenen Bezirken. Der Reinickendorfer Sportstadtrat Wolfgang Brennecke (SPD) erklärte gestern, die Regelung zeige, daß Sport und Umweltschutz vereinbar seien. Hingegen lehnte der Spandauer Bürgermeister Werner Salomon (SPD) die neue Regelung ebenso ab wie seine Kollegin Monika Höppner (SPD) aus Köpenick.

In einem Brief an Krause bezeichnete Höppner die Vorgehensweise als »ausgesprochen schlechten demokratischen Stil«. Durch Krauses Entscheidung würden alle Umweltschutzmaßnahmen am Müggelsee zur »Farce«. Dies bedeute eine Rückkehr zu Verhältnissen »des Raubbaues an der Natur, wie sie zu DDR- Zeiten üblich waren«. Severin Weiland

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