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Auf den Bauch geschrieben

■ Ab 28.Mai in Berlin: Fassbinder (fast) komplett

Liselotte Eder, Fassbinders Mutter, erzählte André Müller in dessen Interview für 'Die Zeit‘, daß auf dem Grab ihres Sohnes seltsamerweise keine Pflanzen gedeihen. „Ich gieße sie, aber sie wachsen nicht, als wollten sie mir ein Zeichen geben: Hier liegt kein Toter, der Rainer lebt.“

Wer keine Zeit hat, sich am 10.Juni, dem zehnten Todestag des Filmemachers, auf dem kleinen Prominenten-Friedhof in München-Bogenhausen persönlich zu überzeugen, der kann sich ab dem 28.Mai den wichtigsten Regisseur der bundesdeutschen Nachkriegszeit auch anders vergegenwärtigen: Mit einer Ausstellung am Berliner Alexanderplatz, drei Retrospektiven (im Westberliner „Arsenal“, im Ostberliner „Babylon“ und dem Potsdamer Filmmuseum, Teile der Retro wandern weiter nach München und Frankfurt), mit Podiumsgesprächen, Gala und Gästen von Adorf bis Wenders wird Fassbinder posthum erstmals komplett gewürdigt.

Genauer gesagt: fast komplett. In der Werkreihe, die neben Fassbinders 44 Filmen zehn Dokumentationen und 60 Referenzfilme umfaßt, fehlen der erste Kurzfilm (verschollen) und, sehr wahrscheinlich, Wildwechsel, Fassbinders freie Adaption des Bühnenstücks von Franz Xaver Kroetz. Fassbinder-Mitarbeiter Harry Baer auf der „Werkschau“- Pressekonferenz am Dienstag in der Berliner Paris-Bar: „Kroetz, dieser niederbayrische Muffel, versaut uns mit seiner Habgier die Retro.“ Streitpunkt sei die Summe, die Kroetz für die Stoffrechte verlangt. Auch die Realisierung der geplanten zusätzlichen Großprojektion von Berlin, Alexanderplatz auf dem Alex ist wegen des ungewöhnlichen technischen und finanziellen Aufwands noch nicht sicher.

Sonst aber, so bestätigten Veranstalter und Organisatoren, unter anderen Juliane Lorenz von der RWF Foundation, Herbert Gehr vom Frankfurter Filmmuseum, die Stiftung Deutsche Kinemathek und Theo Hinz vom Filmverlag der Autoren, ist alles in Butter. Die 2.000 Quadratmeter große Ausstellung, für deren Design Fassbinder-Ausstatter Rolf Zehetbauer verantwortlich zeichnet, will als imaginäres Filmstudio verstanden sein. Auf museale Inszenierung hat man bewußt verzichtet, es gibt keine Vitrinen, keine didaktischen Tafeln. Statt dessen mengenweise Arbeitsfotos und -materialien, die Kostüme von Barbara Baum, Kuriosa wie Fassbinders Talismane und seine (vergeblichen) Bewerbungen an der Berliner Film- und Fernsehschule, Devotionalien vom Schulzeugnis bis zum Regie-Stuhl und Rekonstruktionen wie etwa Fassbinders Küche oder ein historischer Miniatur-Alexanderplatz (mit Kopfsteinpflaster) im Zentrum der Schau. Sämtliche RWF-Filme werden auf 64 Monitoren gleichzeitig zu sehen sein, den akustischen Teil der Inszenierung besorgen Filmmusiken von Peer Raben und His Master Voice höchstselbst: Fassbinders Drehbuch-Diktate. Zehetbauer in der Paris-Bar: „Ein Konzept, das Fassbinder auf den Bauch und den Leib geschrieben ist. Wir haben versucht, es ihm zu zeigen. Er ist die Hauptfigur.“

Schirmherren der von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und zahlreichen Sponsoren (Gesamtkosten cirka 2,5 Millionen DM) finanzierten Gesamtschau sind neben Heiner Müller, Schlöndorff und Wenders die Kulturoberen von Berlin und Brandenburg. Kultursenator Ulrich Roloff-Momin lobte denn auch die gute Zusammenarbeit mit Brandenburgs Kulturminister Hinrich Enderlein und betonte sein ansonsten so schmerzlich vermißtes Interesse für die Belange des Films. Bärbel Dalichow vom Potsdamer Filmmuseum erteilte dem Senator mit spitzen Worten eine deutliche Abfuhr: Die Zukunft des Filmstandorts Potsdam- Babelsberg stehe trotz gegenteiliger Versprechungen immer noch in den Sternen. Immerhin: die Fassbinder- Werkschau dürfte neben der Berlinale das erste große Gesamtberliner Kinoereignis werden. Christiane Peitz

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