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■ ARTUR, BERLINOIDKann denn Schlendern Luxus sein?

So durch kleine Berliner Läden streifen, Kultur, Kommerz und Kunst in Augenschein nehmen und hier und da einen Kaffee oder ein Gläschen Sekt angeboten bekommen, dies und das über das Leben reden und gemeinsam mal wieder lachen, das macht Artur gern, sehr gern. Unweit des Charlottenburger Schlosses zum Beispiel gibt es eine ganz erschreckend gute Buchhandlung. Aber es hat den Anschein, daß Artur nur einer der wenigen ist, die von dem modernen Antiquariat im Keller wissen.

Schätze sind dort zu finden, zum Teil noch in diesen unsäglichen Plastikeinschweißungen, Ausgaben, die das Herz eines Biblomanen schneller schlagen und die Haushaltsplanungen über Bord gehen lassen. Unter mindestens zwei, drei Büchern kommt Artur nie aus dem Keller wieder hoch.

Über die Preise kann man schon reden, die sind kommod, und wenn's dann noch ein Käffchen und Zeit für ein paar Worte gibt (gibt's immer), nun, dann sieht auch Artur den Zeitläuften wieder gefaßter ins Auge. Die Chefin und ihre ebenso überzeugend charmante Mitbuchhändlerin setzen jeweils erlesen parfümierte ätnaerotische Fachfraulichkeit freundlich dosiert ein, kommt auf die Kundschaft und die verlangte Lektüre an.

Das Geschäft hat Atmosphäre, spannend, und nur ganz selten ist ein Titel nicht vorhanden. Man ist der Literatur kenntnisreich verbunden, Bestellungen werden binnen zweier Tage ausgeführt. Von alledem werden auch Gäste angezogen, Brüder und Schwestern im Geiste, aus Wissenschaft und Kunst und Psychotherapie, die mitunter beklemmende Weltsichten von sich geben, durchaus kauzig und beredt, doch weniger kauffreudig.

Die Damen bleiben gelassen, empfehlen bestenfalls mal Titel wie Wenn Männer zuviel stricken oder Leben in den Wäldern. Ein gediegener Ort, diese Buchhandlung.

Ganz anders dagegen der Laden, wo's die wohlsortierten und -schmeckenden mediterranen Spezereien gibt, in einer Nebenstraße des restaurierten Charlottenburg der nun aufgeklärt alternden Avantgarde. Da duftet es wie weiland in Kolonialwarenläden, eleganter, versteht sich, aber nachhaltig motivierend. Und den Espresso bekommt man frisch gemahlen, die Auswahl an Käse, Schinken und Wein ist bestechend.

Aber tut es nun nötig, daß der Padrone noch immer das dicke Papier mitwiegt? Er ist beileibe nicht unfreundlich, o nein, doch bei seinem Auftritt und seinen Vorträgen ahnt Artur, daß er soviel erlebt haben muß auf dieser Welt, möglicherweise aber so wenig erfahren.

Einmal traf er ihn im Café an der Ecke, er hatte ein Glas Wasser vor sich, und er hatte Artur zu erklären versucht, er als Geschäftsmann müsse messerscharf kalkulieren, die größte Sparsamkeit obwalten lassen.

Wenn ich auf der Post eine Briefmarke kaufe, hatte er ernst hinzugefügt, lasse ich mir natürlich stets eine Quittung geben. Artur kann das gut verstehen. Und dann, fügte der Geschäftsmann hinzu, schreibe ich eine Zahl vor die quittierte Mark, mit dem Postkugelschreiber, der hat die gleiche Farbe. Aus einer Mark werden dann leicht 61 Mark. Das brauche ich, für die Steuer. Clemens Walter

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