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Kleine Lichter

■ Das Electric Light Orchestra kopflos im Konzert

Der Geruch von Bratwurst, Zigarettenrauch und »Opium« hängt in der feuchten Luft über dem Tempodrom. Nieselregen fällt auf die bunten Zeltplanen und das frisch frisierte Haar nicht mehr ganz junger Frauen, die allein zum Konzert gekommen sind. Ihre 35jährigen Gegenparts stehen schnurrbärtig im Rund des Kontakthofs vor der Bühne und trinken albernd Dünnbier aus Plastebechern. Die Älteren haben die Sitzplätze im Außenkreis vollständig belegt, und angegraute Liebespaare zwischen den wenigen herumscharwenzelnden Jugendlichen haben vorsorglich Schmusehaltung eingenommen.

So unhöflich, wie das Publikum es sich bei den Rockpalast-Festivals der späten siebziger Jahre abgeschaut hat, werden die Musiker auf die Bühne gepfiffen, von der unübersehbar die Reklame eines Tasteninstrumentenherstellers leuchtet. Mit dem wummigen Breisound, der dem Veranstaltungsort in den Zelten eigen ist, eröffnet das neu formierte Electric Light Orchestra seinen Comeback- Gig: Turn to stone, einer der großen Hits der Band von 1977, ist gleichzeitig das Konzertkonzept der ehemaligen Stars. Denn nach dem Weggang von Sänger und Komponist Jeff Lynne gehen die sieben Herren von »ELO Part Two« vollständig auf Nummer Sicher.

Das versprochene »firework of all their great hits« basiert denn auch auf den alten Arrangements aus besseren Zeiten, als man noch nicht auf die Einnahmen vom Merchandise-Stand angewiesen war, wo Sweatshirts für 50 Mark feilgeboten werden. So kann sich Mike Kaminskys Violinenspiel 1992 nicht recht gegen die beiden Rockgitarristen durchsetzen. Das für ELO bis dato typische Zusammenspiel von synthetischen Klangerzeugern, Streichersätzen und Rockversatzstücken mag den neu hinzugekauften Musikern nicht gelingen. Mit der Reproduktion der genauen, oft ironischen Arrangements Jeff Lynnes offenkundig überfordert, flüchtet sich die Band in Rockerposen.

Gitarrensoli in der Manier von Springsteen bis AC/DC verstärken den Eindruck, im Gruselkabinett der Rockmonster gelandet zu sein — einem Ort, den das Electric Light Orchestra bereits in den siebziger Jahren hinter sich gelassen hatte. Mit schleppendem Rhythmus spulen die Berufsmusiker auf dem Weg zur Altersversorgung ihr Programm ab. Das Publikum jubelt frenetisch, um sich nicht mit der Diskrepanz zwischen Erinnerung und Jetzt zu beschäftigen.

Bis zur Entlastungsstraße dringt das dumpfe Bummzack-Bumm Bummzack des Schlagzeugs aus dem Zelt, als sich die neue Version von Don't bring me down mit dem Dröhnen des regen Autoverkehrs vor dem Reichstag vermischt. Erst als sich die Türen des 248er Busses schließen, setzt sich die erinnerte Melodie aus dem Radio im Kopf wieder durch. Bring mich nicht runter. Stefan Gerhard

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