: Glaubenssache Stasi
■ Bürgerrechtler fordert Schuldeingeständnis der Kirche
Berlin (taz) — In einem offenen Brief forderte der DDR-Regimegegner Matthias Storck am Freitag ein öffentliches Schuldbekenntnis von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Der heute im Kirchenkreis Herford arbeitende Pfarrer Storck wurde 1979 als Theologiestudent von dem Pfarrer Frank Rudolph an die Stasi verraten. Dadurch gerieten seine Frau und er 14 Monate in Haft. Dem Rat der EKD wirft Storck vor, daß die Kirche beim Umgang mit ihrer Vergangenheit zu einer „Gemeinschaft der Scheinheiligen“ verkomme. Das Eingeständnis ihrer Schuld dürfe nicht durch kirchliches Schweigen oder durch eine „generelle Selbstamnestie“ ersetzt werden.
Storck listet in seinem Brief an die EKD evangelische Amtsträger auf, die als Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi enttarnt wurden. An der derzeit geltenden Praxis der EKD kritisiert er, daß „die neuen Judasse mit und ohne Decknamen entweder im Dienst bleiben oder für Westpension die Opfer verhöhnen“. Als Namen, die „für viele andere stehen“, nennt Storck den IM-Pfarrer Gartenschläger, den Weimarer Superintendent Reder und den Greifswalder Bischof Gienke. Storck sei nicht bereit, für seine Gegner von damals heute in die Gehalts- und Pensionskasse zu zahlen.
Aus „Mangel an Glauben“ resultiere der innere Zusammenhang zwischen dem „unseligen Hang des deutschen Protestantismus, totalitäre Systeme zu unterschätzen, dem immer wieder erstaunlich schwachen Gedächtnis für die Folgen solcher Fehleinschätzungen und dem tiefen Vertrauensverlust, den das gerade jetzt wieder mit sich bringt“. In drei Punkten — so Storck — steht die EKD daher jetzt vor der Bekenntnisfrage. Er fordert: das Schuldbekenntnis, eine sofortige Regelüberprüfung aller kirchlichen Amtsträger in Ost und West sowie die sofortige Suspendierung aller IMs bei der EKD.
Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Engelhard war auf Anfrage vorerst zu keiner öffentlichen Stellungnahme bereit.
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