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Altbewährte Besitzer für den Hoppegarten

■ Tauziehen um Galopprennbahn geht weiter/ Brandenburg befürchtet, daß der Union-Club mit dem Gelände spekulieren will/ Die Treuhand bezweifelt, daß das Bundesland genügend Geld hat, die Nobelrennbahn zu sanieren

Hoppegarten. »Prunkstück des deutschen Galopprennsports« und: anknüpfen an die »große Geschichte Hoppegartens«, so soll es wieder werden. Die neue Rennsaison hat gerade eben begonnen, dem Union- Club ist es gelungen, von der Treuhand den Zuschlag auf das Gelände zu erhalten. Der Vorstand wartet nur darauf zu investieren. Endlich scheint vereint, was einstmals eins war — der Pferdesportverein Union- Club und eines der größten Hypodrome Europas, in denen Pferde um die Wette galoppieren. 1868 wurde die Galopprennbahn in Dahlwitz- Hoppegarten eröffnet und gelangte 1874 für 296.000 Reichstaler in den Besitz des Union-Clubs. In der NS- Zeit avancierte der Club zum Renommier-Verein der oberen Militär- und Politprominenz. Die zahlreichen jüdischen Mitglieder wurden enteignet und mußten den Club verlassen. Franz von Papen, Reichsminister im Hitlerkabinett wurde 1934 Präsident des Union-Clubs. SS- Obergruppenführer und Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop war genauso Mitglied wie viele andere in- und ausländische Nazigrößen. Bereits im März 1942 hatten über 250 Mitglieder den Offizierseid auf Hitler geleistet. Nach 1945 zerfiel der Union-Club fast vollständig und wurde enteignet. Zwei Jahre später wurde er in Köln neu gegründet. Viele Söhne und Enkel von einstmaligen Mitgliedern sind nach Aussage des heutigen Präsidenten Pferdmenges wieder im Verein.

Man ist stolz auf die langjährige Tradition. Die relative Sicherheit, daß der Verein keine Spekulationen mit dem 430 Hektar großen Gelände betreibt, war nach Aussage der Treuhand der Grund, den Zuschlag an den Union-Club zu geben. Dabei hatte es durchaus noch andere ernst zu nehmende Bewerber gegeben wie beispielsweise das Land Brandenburg.

Keine Spekulationen mit dem Gelände

Als Hoppegarten 1945 enteignet wurde, gehörte es zum Bodenreformland. Brandenburg kann auf einen entsprechenden Grundbucheintrag von 1948 verweisen. Eigentlich dürfte die Treuhand daran nicht vorbei. Deshalb zieht das Land Brandenburg vor Gericht. Hoppegarten wäre das erste Bodenreformland, daß die Treuhand an den neuen Ländern vorbei veräußert hätte. Ein Präzedenzfall also, denn sollte sich durchsetzen, daß Bodenreformland von der Treuhand verkauft werden darf, gingen den neuen Ländern Tausende von Hektar verloren.

Zudem ist Hoppegarten nicht nur irgendein Acker, sondern begehrte Spielwiese einer mächtigen Pferderennsportklientel. Noch bevor das Bundesland Brandenburg richtig gegründet war, hatten der Vorstand Hoppegartens und der Union-Club bereits gegenseitige Begünstigung vereinbart. Unterschrieben wurde der Vertrag vom Vorsitzenden des Hoppegartener Vorstandes, Becker, gleichzeitig Chef des Hoppegartener Fördervereins, Präsident der Rennbahn und langjähriges Mitglied im Union-Club. Der Vizepräsident des Pferderennvereins, Ellerbracke, unterschrieb ebenfalls für den Hoppegartener Vorstand. Für den Union- Club unterzeichnete dessen Vorsitzender und Vizepräsident der Oppenheimer Privatbank, Pferdmenges. Der Union-Club hatte sich also bereits auf allen Ebenen breitgemacht. Man gibt sich betont nur am Pferderennsport interessiert und versäumt nicht, darauf zu verweisen, daß die erstklassigen Beziehungen zur Wirtschafts- und Politlobby die finanziellen Kraterlöcher in den Hoppegartener Kassen stopfen werden. Nicht nur der Vorstand, sondern auch die Berliner Treuhand bezweifeln, ob das Land Brandenburg genug Geld habe, um die gesamte Anlage als ehemals wichtigste deutsche Galopprennbahn standesgemäß zu sanieren. Dafür bedarf es immenser Investitionen. Der Union-Club hat, was das Land Brandenburg nicht hat — Beziehung zum Geld. Von den rund 250 Mitgliedern besteht ein nicht unerheblicher Teil aus Bankiers und Unternehmern.

Der neue Besitzer soll also wieder der alte sein. Die sonst gar nicht so zimperliche Treuhand zeigt beim gemeinnützigen Union-Club, der keine Gewinne erwirtschaften darf, verständnisvolle Einsicht. Das Vertragswerk steht unter dem Motto »Tradition vor Geld« und liest sich, daß einem vor Staunen die Luft weg bleibt. Der sich bettelarm gebende Verein mit seinen schwerreichen Mitgliedern zahlt 2,5 Millionen Mark an die Treuhand. Er darf dann Land, das nicht zum Kerngelände gehört, für rund 30 Millionen Mark verkaufen. Die Treuhand geht von etwa zehn Hektar aus. Die Größe der veräußerbaren Fläche ist jedoch nicht festgelegt. Es könnte also mehr Gelände als angenommen unter Wert verkauft werden. Vom Gewinn muß der Club jedenfalls 15 Millionen Mark an die Treuhand weiterleiten.

Da der Vekehrswert für den Quadratmeters dieses Geländes derzeit bei ungefähr 200 Mark liegt, dürfte es wohl nicht schwer sein, das Geld aufzubringen. Im Gegenzug verplichtet sich der Union-Club, mit dem Gelände nicht zu spekulieren. Präsident Becker versichert, daß der Union-Club im Prinzip überhaupt kein Interesse an einem Geländeverkauf habe und nur in allergrößter Not von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchte. Man wolle vielmehr alles über Förderer, Sponsoren und Hypotheken finanzieren.

Doch gerade das wird vom Land Brandenburg stark bezweifelt. In der Zeit, als der Treuhand noch ein Detlev Rohwedder vorstand und an der Rückübertragung des Hoppegartener Geländes an das Land Brandenburg eigentlich keine Zweifel bestanden, befand sich der Union-Club bereits in intensiver Verhandlung mit dem Land Brandenburg. Es war ein Vertrag vorgesehen, der dem Union- Club Erbpacht und Erstbaurecht einräumte, aber gleichzeitig keine Veräußerung von Boden ohne Genehmigung des Landes Brandenburg erlaubte. Nach dem Tod Rohwedders trat eine Wende in der Verhandlungsführung der Treuhand ein. Schlagartig interessierte sich der Union-Club auch nicht mehr für eine Einigung mit Brandenburg. Die Treuhand verpflichtete sich zwar gegenüber dem Land, kein Gelände ohne vorherige Informierung zu verkaufen, ohne sich jedoch daran zu halten. Im Mai letzten Jahres stiefelten Vermessungstechniker auf dem Gelände herum. Erst nachdem mißtrauische Anwohner das brandenburgische Ministerium darüber informiert hatten, bequemte sich die Treuhand zu einer diesbezüglichen Äußerung. 4,6 Hektar waren für lumpige zehn Mark pro Quadratmeter an den Vizepräsidenten des Pferderennvereins, Ellerbracke, klammheimlich verkauft worden. Die Treuhand rechtfertigte diesen Verkauf damit, daß das Gelände angeblich nicht zum Kernland gehöre und erst in den dreißiger Jahren zusätzlich erworben worden war. Aus der Sicht Brandenburgs grenzt dieser Verkauf jedoch an Veruntreuung und schürt den Verdacht, daß der Union-Club auch später zu Billigstpreisen Hoppegartener Gelände an die eigenen Mitglieder verkaufen wird.

Gegen die Rechtsgültigkeit des Vertrags zwischen Treuhand und Union-Club hat das Land Brandenburg vorerst eine einstweilige Anordnung erwirkt. Die Treuhand hat gegengeklagt. Morgen wird in in Strausberg vor Gericht entschieden. Der Termin der Hauptverhandlung, in der es um die Rückübertragungsrechte gehen wird, ist noch nicht bekanntgegeben. Markstein

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