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Italiens Polit-Elite geht in den Knast

Immer mehr und immer höherrangige PSI-Funktionäre werden straffällig/ Hauptvergehen: Bestechung/ Noch keine neue Regierung/ Christdemokraten und Ex-Kommunisten tief zerstritten  ■ Aus Rom Werner Raith

Das hätten sich Italiens Sozialisten noch im Vorjahr nicht träumen lassen: Reihenweise wandern immer höherrangige Mitglieder der noch vor wenigen Monaten scheinbar unaufhaltsam zur größten Linkskraft des Landes vorrückenden Partei ins Gefängnis. Und das, wo die Genossen wegen der noch immer unbewältigten Regierungsbildung keine Protektion von oben rufen können.

Unberührbarkeit der PSI am Ende

Vorbei ist es mit dem Status der Unberührbarkeit, den die Mitglieder der PSI seit der dreieinhalbjährigen Amtszeit ihres Chefs Bettino Craxi Mitte der achtziger Jahre errungen hatten. In Mailand, Hochburg der Sozialisten und Heimatstadt Craxis, wurde im März der Direktor eines renommierten Altenheims eingesperrt, der erhebliche Bestechungssummen für die Vergabe von Bau- und Ausstattungsaufträgen kassiert und von der Stadt Liegenschaften zu Spottpreisen erworben hatte. Der zunächst noch als persönlicher Ausrutscher interpretierte Fall weitete sich zum Riesenskandal: Der Mann, ein enger Mitarbeiter von Craxis politisch sehr aktivem Sohn Bobo, hatte das Geld im wesentlichen für seine Partei herangeschafft — und er packte immer brisantere Details über die Administration der seit jeher sozialistisch dominierten Stadt aus. Mittlerweile laufen Ermittlungsverfahren gegen mehr als 150 Personen, größtenteils Unternehmer und Manager — und eben Politiker aus immer höheren PSI-Etagen. Am Wochenende beantragte die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität eines amtierenden Ministers, Carlo Tognoli, sowie für den Schwager Craxis, Paolo Pillitteri. Die beiden waren in den 70er und 80er Jahren Oberbürgermeister Mailands und haben nun Anklagen von Korruption bis Hehlerei am Hals.

Auch am anderen Ende der Republik wandern Sozialisten ins Gefängnis: In Palermo enthob ein Gericht den Regionalminister für öffentliche Arbeiten seines Amtes, weil er seine Wahlkampagne vorwiegend mit den ihm vom Staat anvertrauten Geldern seiner Behörde geführt hatte, die Regionalregierung trat daraufhin zurück. In Trapani sitzen ein halbes Dutzend Unternehmer zusammen mit sozialistischen Funktionären wegen Veruntreuung von Geldern des Gesundheitsamtes ein. Da ist es nur ein geringer Trost für die Sozialisten, daß die Staatsanwälte auch bei anderen Parteien fündig werden: Zwei Ex-KP-Genossen bekamen ein Verfahren an den Hals, der Ex-Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, PDSI, Longo, kam soeben wegen Korruption für gute vier Jahre ins römische Gefängnis Rebibbia.

Das juristische Debakel der Sozialisten zerstört nicht nur deren bisher recht großes Ansehen als regierungsfähige Alternative zu den Christdemokraten, sondern trifft ganz Italien in einer Situation der totalen Paralyse. Nach den vorgezogenen Neuwahlen vom April ist nicht nur keinerlei regierungsfähige Mehrheit in Sicht — in nahezu allen Parteien kracht es mächtig. Die Christdemokraten, die Verluste von sechs Prozent hinnehmen mußten, sind derart zerstritten, daß sie sich weder auf Kandidaten für die Präsidentschaft der beiden Kammern noch für den Vorsitz der neuen Fraktionen einigen konnten. Außenseiter kamen so ins Amt, an deren Stühlen bereits wieder alle anderen sägen. Bei den Liberalen und den Sozialdemokraten wollen die Repräsentanten des Südens, nach starken Zuwächsen zwischen Neapel und Palermo (durch teilweise mafiose und camorristische Stimmen), mehr Einfluß auf die Leitung. Die Ex-Kommunisten des „Partito democratico della sinistra“ haben bereits eine Zerreißprobe hinter sich; die beliebteste Genossin, Nilde Jotti, wurde von Parteichef Achille Occhetto nicht mehr für die Präsidentschaft des Abgeordnetenhauses nominiert, die sie fast zwei Legislaturperioden innegehabt hatte; doch der statt ihrer ins Rennen geschickte Vertreter des rechten Flügels, Giorgio Napolitano, kam auch nicht durch. Der nun zum Fraktionsvorsitzenden gewählte stellvertretende Parteichef Massimo D'Alema, 40, gilt zwar als Pragmatiker und als der härteste Pokerer im ganzen Parlament. Doch er trägt an der Altlast des Wackelkurses, den sein Chef gegenüber den Sozialisten seit jeher einhielt: Occhetto betont zwar unentwegt die Notwendigkeit linker Einheit und plädiert für eine „Programmregierung“ — doch wenn's ernst wird, kann er nicht den Schatten eines Programms vorzeigen, weil er nicht weiß, ob die Sozialisten darauf eingehen. Ergebnislos daher auch die Gespräche mit allen anderen Partnern, von den Grünen über die derzeit oppositionelle, industrienahe Republikanische Partei bis zur „Rete“ des Antimafia-Bürgermeisters Leoluca Orlando.

Politisches Vakuum nach Rücktritt von Cossiga

In dieser Situation wäre die ausgleichende Funktion einer überparteilichen Institution dringender denn je. Doch der dafür verfassungsmäßig vorgesehene Staatspräsident — der sogar das Recht hat, eine „Präsidialregierung“ zu führen, wenn die Politiker nicht zu Potte kommen — ist vorige Woche ebenfalls zurückgetreten und wird bis zur Neuwahl am 13. Mai von Senatspräsident Spadolini vertreten — der in dieser Zeit natürlich kaum wegweisende Handlungen durchführen kann. So richtet sich Italien auf einen langen Vorsommer ohne Regierung, aber sicher mit weiteren Skandalen und hochkarätigen Verhaftungen ein.

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