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ÖTV bereitet sich auf Streikende vor

■ Heute abend wollen sich die ÖTV-Tarifpartner in Stuttgart erneut treffen/ Erstmals Frankfurter Flughafen lahmgelegt

Bonn/Berlin (dpa/ap/taz) — Heute abend werden sich nach nunmehr rund einwöchigen Streikaktionen im öffentlichen Dienst in Stuttgart erstmals wieder die Tarifpartner an einen Tisch setzen. Wie die taz aus Kreisen der ÖTV erfuhr, rechnet die Gewerkschaft mit einem „ernsthafen Angebot“ der Arbeitgeber und bereitet für das Wochenende vorsorglich eine Urabstimmung zur Beendigung des Streiks vor.

Gestern befanden sich in Westdeutschland noch über 330.000 Beschäftigte im Ausstand. Dabei wurde zum ersten Mal in seiner Geschichte der größte europäische Flughafen in Frankfurt am Main völlig lahmgelegt. Nach eigener Darstellung will die Deutsche Lufthansa, die tägliche Verluste von mindestens zehn Millionen Mark vorrechnete, vom Land Hessen und der Frankfurter Flughafen AG Schadenersatz fordern. Bestreikt wurden auch die Flughäfen in Düsseldorf, Köln/Bonn und West- Berlin, ferner Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Stadtverwaltungen, die Müllabfuhr und der öffentliche Personennahverkehr.

Wie die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) mitteilte, wurde auch der Streik auf den Schienen ausgeweitet. Massive Einschränkungen gab es gestern auf fast allen Fernlinien und zunehmend auch im Güterbereich. Weiterhin drastisch bestreikt wurde der Nahverkehr in West-Berlin sowie in Nordrhein-Westfalen, wo im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr der Betrieb sämtlicher S-Bahnen eingestellt wurde. Einschränkungen gab es gestern auch im S-Bahn-Verkehr München, Stuttgart und Frankfurt. ICE- Züge fuhren gar nicht erst an.

Nach Angaben der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) waren bei Postdienst, Postbank und Telekom am Dienstag rund 28.000 Mitarbeiter zum Streik aufgerufen. Auch in den Fernmeldeämtern kam es laut DPG erneut zu flächendeckenden Streiks. Weitere Schwerpunkte des Arbeitskampfes waren die Postbankämter, Fernmeldezeugämter und Luftpostleitstellen.

Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, daß der Volkswirtschaft in der ersten Streikwoche nur durch das Zuspätkommen der Arbeitnehmer ein Schaden von rund hundert Millionen Mark entstanden ist. Die Rechnung gehe von der Angabe des Statistischen Bundesamtes aus, daß ein Erwerbstätiger in Westdeutschland pro Stunde eine Leistung im Wert von etwa 50 Mark erwirtschafte.

Unterdessen hieß es gestern, die öffentlichen Arbeitgeber wollten für die Verhandlungsrunde, die heute um 18.00 Uhr beginnen soll, ein neues, gesplittetes Angebot im Tarifstreit vorlegen. Wie die Berliner Zeitung 'BZ‘ zu wissen glaubte, beabsichtige Bundesinnenminister Seiters (CDU), die Einkommen des einfachen und mittleren Dienstes um die im Schlichterspruch vorgeschlagenen 5,4 Prozent anzuheben, während die oberen Einkommensgruppen um etwa vier Prozent wachsen sollen.

Die ÖTV-Chefin Wulf-Mathies hat mit dem Begriff Kappungsbetrag einen Lösungsvorschlag in die Diskussion gebracht. Dies bedeute, daß von einem bestimmten Höchstbetrag an die prozentuale Einkommenssteigerung nicht mehr greifen soll. Höherverdienende sollen einen Festbetrag erhalten.

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