Afrikas Misere von Dürre verschärft

■ Millionen von Menschen im südlichen Afrika sind vom Hunger bedroht, die schwerste Dürre seit Menschen-gedenken hat Länder wie Simbabwe und Mosambik in öde Wüstenlandschaften verwandelt. Auch Kenia...

Afrikas Misere von Dürre verschärft Millionen von Menschen im südlichen Afrika sind vom Hunger bedroht, die schwerste Dürre seit Menschengedenken hat Länder wie Simbabwe und Mosambik in öde Wüstenlandschaften verwandelt. Auch Kenia kämpft mit Wassermangel. Für den Nordosten Afrikas sagen Meteorologen voraus, daß die Regenzeit ausfällt.

In Kenia gehen die Lichter aus. Seit drei Wochen muß die Bevölkerung je nach Wohnort wechselweise vormittags oder nachmittags ohne Strom auskommen. Der Grund: Die Elektrizität des Landes wird zu 80 Prozent aus Wasserkraft gewonnen, die anhaltende Dürre jedoch hat den Wasserpegel dramatisch sinken lassen — die meisten großen Staudämme produzieren kaum noch die Hälfte der in normalen Jahren üblichen Energiemenge. Die Stromrationierung bedroht Tausende in ihrer Existenz. Lediglich einige große Krankenhäuser und Konzerne sind von der Maßnahme ausgenommen. Andere Firmen müssen ihre Produktion verringern — Tagelöhner suchen derzeit im Industriegebiet von Nairobi oft vergeblich nach Arbeit. Für viele Handwerksbetriebe übersteigen die Unkosten schon jetzt die Einnahmen: „Ich kann zumachen, wenn das noch ein paar Wochen so weitergeht“, sagt die Inhaberin einer Schneiderwerkstatt in der Hauptstadt.

Es wird so weitergehen: „Wir wissen, daß die Verluste der Wirtschaft hoch sind“, erklärt ein Sprecher des E-Werks, „aber wir können es nicht ändern.“ Ohne Stromrationierung könne bereits im Juli die Energieversorgung gänzlich zusammenbrechen. Wie lange werden mittelständische Betriebe unter diesen Umständen noch konkurrenzfähig sein? „Kleinere Industrieunternehmen und Krankenhäuser und das gesamte Handwerk drohen zu verschwinden“, warnte jetzt eine Tageszeitung in Nairobi.

Die Dürre trifft Kenia zu einem Zeitpunkt, zu dem die Wirtschaft ohnehin zunehmend unter Druck gerät. Die Inflation liegt bei mehr als 20 Prozent, die Tourismusbranche — wichtigster Devisenbringer des Landes — meldet Einbußen, ausländische Investitionen gehen zurück, und im Entwicklungshilfebereich drohen Kürzungen aufgrund der angespannten politischen Lage. Daß anstatt der seit Wochen erwarteten langen Regenfälle bisher nur ein paar Wolkenbrüche über dem Land niedergegangen sind, müßte so tragisch nicht sein— hätte es nicht schon seit einem Jahr viel zuwenig geregnet.

So aber sind die Vorräte von Mais und Reis laut der Welternährungsorganisation FAO „unter das Minimum einer strategischen Reserve“ gefallen. Die Ernteaussichten sind schlecht. Nahrungsmittel müssen importiert werden — aber Kenias Regierung wird nach Einschätzung der FAO höchstens die Hälfte des Bedarfs aus eigener Tasche bezahlen können. Die Organisation schätzt, daß bis Juni 252.000 Tonnen Mais und 40.000 Tonnen Reis als Hilfsgüter nach Kenia geliefert werden müssen. Insgesamt werden im Land rund eine Million Menschen von Nahrungsmittelhilfe abhängig sein, haben das Welternährungsprogramm WFP und die kenianische Regierung ausgerechnet.

Ein dringender Appell an die Geberländer stieß bislang auf taube Ohren: „Der Appell kam sehr spät, wohl auch deshalb, weil die am schlimmsten betroffene Bevölkerung im Norden Kenias in Nairobi keine Lobby hat und nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der Regierung steht“, meint ein westlicher Experte. „Und es ist ja der ganze Südosten Afrikas von der Dürre betroffen. Die dafür zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sind schon zugeteilt worden, und wenn alles weg ist, dann wird's eben schwierig.“

Im Norden Kenias sterben die Nomaden

Für viele Nomaden im Norden Kenias ist die Lage inzwischen nicht mehr nur schwierig, sondern dramatisch: „Da sterben mittlerweile die Leute“, sagt ein Diplomat, der die Region kürzlich bereist hat. „Es ist eine absolute Katastrophe, weil in der Gegend die Leute ja nur von Vieh leben und nichts anbauen.“ Das Vieh verdurstet in der öden Halbwüste: Mehr als die Hälfte der Ziegen, Schafe und Rinder und sogar 15 Prozent der zähen Kamele sind Schätzungen ausländischer Experten zufolge bereits verendet. Bereits im Februar hatten Mitarbeiter der katholischen Kirche von einem rapiden Anstieg der Zahl unterernährter Kinder in der Gegend berichtet.

Die Aussichten der Notleidenden auf ausländisches Mitgefühl und Spendenfreudigkeit sind dennoch gering — Flüchtlingselend und Bürgerkriege in Nachbarländern lenken die Aufmerksamkeit eben eher auf diese Regionen. Dürre lastet auf weiten Gebieten des Horns von Afrika, aber angesichts der politischen Wirren dort lassen sich die Auswirkungen der ungünstigen Witterungsverhältnisse kaum messen: „Bei Hunderttausenden von Flüchtlingen, die in Äthiopien, Somalia und dem Sudan vor Kämpfen geflüchtet sind, und angesichts der vielen Ernten, die von Bürgerkriegen vernichtet wurden, läßt sich einfach nicht sagen, inwieweit die Dürre die Misere noch verschärft“, meint ein UNO-Mitarbeiter in Nairobi. Im Einzelfall allerdings hat das Ausbleiben des Regens sogar politische Konsequenzen: Die trockene Witterung begünstigt derzeit die sudanesische Armee bei ihrer Offensive gegen SPLA-Rebellen im Südsudan — Niederschläge hätten die meisten Straßen längst unpassierbar gemacht.

Noch hat die Krise ihren Höhepunkt nicht erreicht: Meteorologen warnen vor einer anhaltenden Trockenheit und sagen voraus, daß die Dürre im südlichen Afrika jetzt ihren Weg weiter in den Osten des Kontinents nimmt. Die Abholzung großer Waldgebiete in den letzten Jahren verschärft vielerorts die Situation. Und manche Bauern können nicht einmal auf den nächsten Regen hoffen — Wetterforscher sagen voraus, daß die lange Regenzeit in Äthiopiens dichtbesiedeltem Norden von Juni bis September voraussichtlich ausbleiben wird. Bettina Gaus, Nairobi