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Hält der Waffenstillstand?

■ Afghanistans Übergangspräsident Mudschaddidi will zwei Jahre im Amt bleiben

Kabul (afp/dpa/taz) — In der afghanischen Hauptstadt Kabul ist gestern nach offiziellen Angaben ein Waffenstillstand in Kraft getreten. Der Informationsminister der Übergangsregierung, Mohammad Siddike Schakri, erklärte, ein entsprechendes Abkommen sei am Mittwoch morgen unterzeichnet worden. Einzelheiten nannte er jedoch nicht.

Zuvor war eine Abordnung des Rebellenführers Gulbuddin Hekmatyar in der afghanischen Hauptstadt eingetroffen, wie Radio Kabul meldete. Hekmatyar hat sich bisher geweigert, sich an der Übergangsregierung zu beteiligen.

Seine Anhänger hatten sich in den vergangenen Tagen heftige Gefechte mit den Gruppierungen geliefert, die die Übergangsregierung unter Sibghatullah Mudschaddidi unterstützen. Die Truppen Hekmatyars hatten die Stadt mit Dutzenden von Raketen und Granatwerfern beschossen.

Mindestens 40 Menschen waren dabei ums Leben gekommen und mehr als 200 schwer verwundet. Die heftigen Kämpfe hatten viele Bewohner der Stadt mit Bussen, Lastwagen, Taxis und zu Fuß in die Flucht getrieben. Nach dem Eintreffen der Vertreter Hekmatyars flauten die Kämpfe um Kabul ab. Die Nachricht vom Waffenstillstand wurde in der Hauptstadt offensichtlich schnell bekannt. Radio Kabul strahlte einen Aufruf des Verteidigungsministers Achmed Schah Masud aus, der alle Regierungsangestellten aufforderte, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren.

Mudschaheddinführer kehren zurück

Die neuen Machthaber unter dem Chef des Übergangsrates, Sibghatullah Mudschaddidi, haben inzwischen ihre Basis verstärkt. Begleitet von Hunderten von Lastwagen und Jeeps war am Montag abend Professor Burhanuddin Rabani, der politische Kopf der bisher siegreichen Dschamiat-i-Islami des Tadschikenführers Achmed Schah Masud, in Kabul eingetroffen.

Mit ihm waren weitere Vertreter des Widerstands gekomen, die jahrelang im Exil in Peshawar gelebt hatten. Ihre Freude an teurem Pomp, so kommentiert 'dpa‘, sei ungebrochen: Eskorten weißgekleideter und betreßter Motorradstaffeln hätten die jubelnd einziehenden Exilführer begleitet.

„Zwei Monate reichen nicht“

Am Dienstag hatte Radio Kabul die vom designierten Regierungschef Mudschaddidi nach einer Ratssitzung gebildete Interimsregierung bekanntgegeben. Ihr gehört auch der Rivale Hekmatyars, Achmed Schah Masud, als Verteidigungsminister an. Mudschaddidi selbst erklärte am gleichen Tag, er beabsichtige, zwei Jahre im Amt zu bleiben. Bislang hatte es geheißen, er solle den Übergangsrat zwei Monate lang führen, bis eine Übergangsregierung geschaffen sei.

Stammeschefs und Religionsführer, Militärkommandanten und Funktionäre der ehemaligen Regierung, erklärte Mudschaddidi zur Begründung seiner Absicht, hätten ihm mitgeteilt, zwei Monate reichten nicht aus, eine Regierung auf breiter Basis einzusetzen.

Unterdessen gingen auch die Versuche, die neue afghanische Regierung auch in internationale Vertragssysteme einzubinden, weiter. Besonders die USA sind an einer Unterbindung der expansiven Drogenproduktion in Afghanistan interessiert, kommentiert 'dpa‘. Im pakistanischen Islamabad erklärten der US- Drogenbeauftragte, Melvyn Levitsky, und der pakistanische Minister für Drogenkontrolle, Rana Chandar Singh, jedoch, angesichts des momentanen Chaos biete es sich nicht gerade an, die „vermutete“ Beteiligung von Mudschaheddin an der afghanischen Drogenproduktion zur Sprache zu bringen. Tatsächlich ist es ein offenes Geheimnis, daß nicht nur der bis vor kurzem von den USA und Pakistan massiv unterstützte Hekmatyar, sondern auch andere Mudschaheddinführer tief im Drogenhandel verwickelt sind.

Unterdessen wächst in Kabul unter vielen Angehörigen der Ethnie der Paschtunen die Furcht vor einem wachsenden Einfluß der aus dem Norden stammenden Usbeken und Tadschiken. Gulbuddin Hekmatyar hatte auf diese Furcht gebaut, als er in den vergangenen Tagen als Bedingung für eine Kooperation mit dem Übergangsrat forderte, die Usbekenmilizen von General Dostam sollten die Stadt verlassen. li

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