piwik no script img

Das Kondom wird weiblich

■ Auch in Deutschland gibt es bald Kondome für Frauen, damit sie sich „selbst schützen können“

Heidelberg (dpa/taz) — Auch in der Bundesrepublik soll schon bald ein Kondom für Frauen auf den Markt kommen. Wie Knut O. Hoffmann vom Institut für Familienplanung in Karlsruhe bei den 16. Fortbildungstagen für Psychosomatik und Sexualmedizin am vergangenen Wochenende in Heidelberg dazu erklärte, soll dieses aus dem Kunststoff Polyurethan bestehende Kondom den Frauen die Möglichkeit geben, sich selbst wirksam vor Aids oder einer ungewollten Schwangerschaft zu schützen.

Nach Angaben des Mediziners wird die Scheide mit einem Kunststoffsack „ausgekleidet“ und so die Schutzwirkung erzielt. In der Schweiz sei dieses Kondom bereits vor zwei Monaten eingeführt worden. Es sei für Frauen geeignet, deren Sexualpartner Kondome nicht benutzen wollen oder aufgrund von Sexualstörungen nicht benutzen können, sagte Hoffmann. In den Vereinigten Staaten soll das Frauenkondom Mitte dieses Jahres auf den Markt kommen, nachdem es Tests zum Infektionsschutz und eine Zerreißprobe bestanden hatte (s. auch taz vom 24. April 1992).

Etwa 15 Prozent aller Paare nehmen Kondome

Neben dieser Neuentwicklung blieb während des dreitägigen Kongresses der Sexualmediziner auch das klassische Kondom für den Mann nicht unberücksichtigt. Seit 400 Jahren gibt es das Kondom für Männer. Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen über das Präservativ als wirksamste Schutzmaßnahme gegen die Immunschwächekrankheit Aids werde es nur von zehn bis 15 Prozent der Paare in der Bundesrepublik benutzt, sagte Hoffmann.

In Schweden seien es 30 Prozent und in Japan sogar 75 Prozent. Der Karlsruher Mediziner kritisierte, daß die Aufklärung über die Kondom-Benutzung durch die Ärzte zu wünschen übriglasse. Dies gelte vor allem für die Beratung Jugendlicher, die bei ihrem ersten Sexualverkehr in mehr als einem Drittel der Fälle Kondome benutzen.

Nach Angaben Hoffmanns besteht offensichtlich auch bei Ärzten eine große Unsicherheit über die Wirkung des Kondoms als Schutzmaßnahme zur Empfängnisverhütung. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine jüngste Befragung von Hamburger Ärzten. Danach haben nur 14 Prozent der befragten Ärzte gegenüber ihren Patienten eine Empfehlung für das Kondom ausgesprochen.

Wolfgang Müller von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung berichtete auf dem Heidelberger Kongreß über die Kampagnen der Bundesregierung zur Aids-Aufklärung in der Bundesrepublik. Mittlerweile sind nach seinen Angaben 30 Fernsehspots zu diesem Thema bereits über tausendmal gesendet worden. Nahezu jeder Bundesbürger habe nach Befragungen schon einmal einen solchen Spot gesehen. Die in den Spots angebotene Telefonberatung werde mehr als zweitausendmal pro Monat in Anspruch genommen, ergänzte Müller.

An dem Kongreß hatten 300 Sexualmediziner teilgenommen. Themen waren auch die Sexualität der Behinderten und die Rolle der Sexualität im Berufsleben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen