Justiz und Stasi-Akten

■ BGH-Beschluß zu Monika Haas: Stasi-Akten alleine begründen keinen dringenden Tatverdacht

Berlin (taz) — Der Beschluß des 3.Strafsenates beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, den auf Akten der Staatssicherheit gestützten Haftbefehl gegen Monika Haas aufzuheben, hat für die Frage der Wertung der Stasi-Unterlagen grundsätzliche Bedeutung. Haas war im März wegen einer vermuteten Beteiligung an der Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut im Herbst 1977 verhaftet worden.

Auf Anfrage erklärte gestern BGH-Sprecher Christoph Zülch, der Erlaß eines Haftbefehls setzte einen „dringenden“ und nicht einen einfachen Tatverdacht voraus. Dieser lasse sich auf Stasi-Akten alleine nicht stützen, weil die „Aufgabenstellung und Arbeitsweise des MfS den Erfordernissen rechtsstaatlicher Sachverhaltsaufklärung in keiner Weise entsprochen haben“. Informationen aus solchen Unterlagen bedürften daher einer „strengen und besonders kritischen Überprüfung“. Wie Zülch weiter erklärte, bedeutet dies aber keinen generellen Zweifel an der Aussagekraft der Stasi-Akten. Sollten Staatsanwälte beim Aktenstudium auf strafrechtsrelevante Vorgänge stoßen, müßten sie weiterhin aktiv werden. Die in den Akten beschriebenen Vorgänge müßten allerdings „irgendwie anders verifiziert werden“, beispielsweise durch die Aussagen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Der 3. Strafsenat habe entsprechend auch im Fall von Monika Haas gehandelt und eine von der Bundesanwaltschaft vorgelegte Aussage eines Stasi-Offiziers zur Bewertung hinzugezogen. Weil sich dessen Aussagen aber nur auf Berichte von ihm geführter Inoffizieller Mitarbeiter stützten und andere „unabhängige gerichtsverwertbare Beweise“ nicht vorlägen, hätte der Strafsenat einen dringenden Tatverdacht verneint.

Ein „alarmierendes Signal“ nannte gestern die Bundestagsabgeordnete Ingrid Köppe (Bündnis90/Grüne) die Umfrageergebnisse, wonach zwischen 40 und 60 Prozent der Bevölkerung auch im Osten Deutschlands einen Schlußstrich unter die Vergangenheitsbewältigung ziehen wollten. Insbesondere der Fall Stolpe drohe zum „Dreh- und Angelpunkt“ der Frage zu werden, „ob und in welcher Form noch eine Aufarbeitung der Repression in der DDR stattfinden soll“. Diese „Entwicklung zum öffentlichen Ermüden“ hätten auch diejenigen zu verantworten, die, wie Stolpe oder der PDS-Chef Gysi, „angesichts substantieller Anhaltspunkte für eine Stasi-Kooperation nicht aktiv und beschleunigt zur Aufklärung solcher Vorwürfe beitragen, sondern statt dessen im schlechten Stil eine Aufarbeitungsbehinderung vorexerzieren“. Wolfgang Gast