: Stiefkind Solarenergie: „Umweltbehörde blockiert alles“
■ Land Bremen ist solartechnisch ein weißer Fleck auf der Landkarte / Die Frist für Zuschüsse läuft ab
In jedem Vorgarten statt der Gartenzwerge geschmackvoll drapierte Solarzellen, die das Haus mit Strom beliefern; alle Dächer mit Sonnenkollektoren bestückt, die für warmes Wasser sorgen — Bremen im Jahr 2001?
Zumindest die Gartenzwerge werden wohl bleiben. Denn eine Möglichkeit der alternativen Energiegewinnung, die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom (Photovoltaik), erlebt in Bremen nicht gerade ihre Blütezeit.
Erzeugen Sie ihren Strom mit einer Photovoltaik-Anlage und bezahlen Sie nur 30 Prozent der Investitionskosten — das ist seit Juni 1991 das Angebot des Bundesministeriums für Forschung und Technik in seinem „1.000-Dächer-Programm“. In diesem wissenschaftlichen Brei
Karikatur
„Geht doch“
tentest sollen etwa 2.250 photovoltaische Kleinanlagen in Ein- und Zweifamilienhäusern gefördert werden. Die Hälfte der Kosten trägt dabei der Bund, 20 Prozent werden in Bremen und Niedersachsen dazugezahlt. Ein verlockendes Angebot — das Bremer Umweltressort zählte 450 Anfragen seit Inkrafttreten des Programms im Juni 1991.
Einhundert Photovoltaik-Anlagen hätten nach einer Quote — 100 Anlagen können in Stadtstaaten, 150 in Flächenländern gefördert werden — im Land Bremen errichtet werden können. Am 30. Juni ist Bewerbungsschluß für das „1.000-Dächer-Programm“ — und in Bremen sind bisher ganze 51 Anträge in Bearbeitung, lediglich drei Anlagen sind in Betrieb.
Bundesweit ist das Programm ein voller Erfolg: Fast 3.000 In
teressentInnen können mit einer Förderung ihrer Anlage rechnen. Dabei gibt es Unterschiede in den Bundesländern: Während in Niedersachsen schon jetzt 50 Photovoltaikanlagen stehen und insgesamt 176 Anlagen gefördert werden, sieht es in den neuen Bundesländern absolut mager aus. Und die Lage in Bremen ist nicht viel besser.
„Die Umweltbehörde blockiert dieses Programm, wo sie nur kann!“ schimpft Gerhard Kleinke von der Solarwerkstatt. Die Bremer Solaranbieter sind stinksauer: Die Bearbeitung der Anträge dauere endlos lange, die Firmen oder Hausbesitzer bekämen ihr Geld erst sehr viel später als zugesagt, in der Beratung rate die Behörde den Interessenten von einer solchen Anlage ab.
In der Tat steht Gero Immel, der in der Bremer Umweltbehörde für die Beratung in Sachen Photovoltaik zuständig ist, dieser Technik nicht gerade positiv gegenüber: „Trotz 70prozentiger Förderung ist es bei den derzeitigen Strompreisen immer noch billiger, sich Strom von den Stadtwerken zu kaufen“, sagt Immel. „Ich kann einfach niemandem raten, sich eine solche Anlage aus ökologisch schlechtem Gewissen anzuschaffen — in der Kosten-Nutzen-Rechnung ist Solarstrom einfach sündhaft teuer. Klar kann so eine Anlage Spaß machen - Leute mit viel Geld machen sich daraus manchmal einen Werbegag — aber eine Lösung des eigentlichen Problems sind die Photovoltaikanlagen nicht.“
Diese Argumente lassen die Solartechnik-Anbieter nicht gelten: „Der Preis wird künstlich hoch gehalten“, findet Siegfried G. Lessing von „Solar-Transfer“, „da stehen reine Lobby-Interessen hinter. Es sind die Mineralöl- und Eneriekonzerne, die das Know-how für die Solarzellen haben — dessen Verbreitung ist eine Frage der Macht.“
Der Preis ist wieder einmal in einer ökologischen Frage das wichtigste Argument; um die Berechnung der tatsächlichen Kosten gibt es allerdings Hauen und Stechen. Um den Preis von Solarstrom und Atom- und Kohlestrom in Relation setzen zu können, müßte erstmal der reale Preis des „Normal“stroms berechnet werden: Die ökologischen Kosten, die durch Umweltschädigung und Klimaveränderung entstehen, sind nicht eingerechnet. Dieses Argument sieht Gero Immel auch, aber: „Selbst wenn man den Strompreis von durchschnittlich 25 bis 28 Pfennig auf eine Mark pro Kilowattstunde heraufsetzen würde — was in etwa die ökologischen Kosten abdecken würde — wäre die Photovoltaik mit drei Mark pro Kilowattstunde immer noch viel zu teuer.“
Über diesen realen Konventional-Strompreis sind sich Solarscene und Solarbürokratie sogar weitgehend einig, aber über drei Mark pro Kilowattstunde Solarstrom kann der Solaranbieter Lessing nur lachen: „Wir sagen aus Erfahrung, daß dieser Preis bei 85 Pfennig liegt!“ Das Bundesministerium für Forschung und Technik wiederum setzt etwa zwei Mark pro Kilowattstunde Solarstrom an.
Jeder rechnet wie er will: Werden die Zinsen für den aufgenommen Kredit der zwischen 22.000 und 25.000 Mark pro Kilowatt Leistung teuren Photovoltaik- Anlage mit eingerechnet, und wie hoch werden sie berechnet? Wie hoch wird die Lebensdauer der Anlage angesetzt? Wie hoch werden die laufenden Betriebskosten sein — ist die Anlage wartungsfrei oder nicht?
Von Bundeswirtschaftsminister Möllemann wird eine Markteinführungshilfe für Photovoltaikanlagen in Erwägung gezogen; in Bremen wird es aber nach Auslaufen des „1.000-Dächer-Programms“, für das das Land Bremen bisher rund eine halbe Million Mark Zuschüsse bewilligt hat, kein weiteres Landesförderungsprogramm mehr geben. „Würde der Solarstrom attraktiv gemacht, würden die Anlagen mit steigender Nachfrage natürlich viel billiger werden“, sagt Lessing. Und: „Hier will Bremen wieder einmal einfach nur Geld sparen.“
Susanne Kaiser
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