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Afrikas Ceausescu in Bedrängnis

■ Malawi wird von Straßenunruhen und Streiks erschüttert/ Nach Regierungsangaben 38 Tote/ Der 95jährige Diktator Kamuzu Banda hält sich seit 28 Jahren einen totalitären Geheimdienststaat

Blantyre/Berlin (wps/ap/taz) — Als im April Hastings Kamuzu Banda, Malawis Präsident auf Lebenszeit, vor dem kleinen Tabakkontor in Blantyre zu einer Rede eintraf, empfingen ihn tanzende Frauen, die sein Porträt auf rot-blauen Kleidern aufgedruckt trugen. Als er sagte, eine „kleine Gruppe Malawier“ übe auf ihn Druck zur Einführung eines Mehrparteiensystems auf, hallte ihm von der Menge der treue Ausruf entgegen: „Nein!“

Doch wer genauer hinblickte, erkannte zwischen den Zuhörern die roten Hemden der paramilitärischen „Malawi Youth League“, die in der Menge patrouillierte und Ovationen und Applaus dirigierte. Einen Tag vor Bandas Besuch waren die Aktivisten von Tür zu Tür gezogen, um für den Präsidenten „Spenden“ einzutreiben — eine Praxis, die von Zynikern „KGB“ genannt wird: Kamuzu Geht Betteln.

Heute sind die orchestrierten Huldigungen vorbei. Seit Dienstag proben die Bewohner von Blantyre den Aufstand. Ein Streik für höhere Löhne wuchs zu Straßenschlachten mit der Polizei aus, und am Donnerstag griffen die Unruhen auch auf die Hauptstadt Lilongwe über. Etwa 5.000 Demonstranten blockierten wichtige Straßen. Eine Zentrale der Regierungspartei „Malawi Congress“ ging in Flammen auf. Insgesamt starben nach Angaben des staatlichen Rundfunks 38 Menschen. Es waren die schwersten Proteste seit 1959, als die Briten in der damaligen Kolonie „Nyasaland“ den Ausnahmezustand verhängten. Gestern rief Präsident Banda die Bevölkerung zur „Ruhe“ auf.

Volle Gefängnisse

Mit ihrer Revolte strafen die Malawier den Diktator und seine Sprüche Lügen. „Die Leute in diesem Land sind nicht unterdrückt“, hatte Banda in Blantyre erklärt. „Sie leben glücklich.“ Und: „Die Menschen laufen frei herum, denn es gibt keine Menschenrechtsverletzungen in diesem Land.“

In Wirklichkeit sind die Gefängnisse des südostafrikanischen Kleinstaates voll mit Kritikern des Diktators. Zum Beispiel ein Architekt, der sich in der Kneipe für ein Mehrparteiensystem aussprach. Oder eine alte Frau, die mit Elektroschocks gefoltert wurde — weil ihre Tochter im Ausland lebt und dort mit malawischen Oppositionellen zusammenarbeitet.

Anklagen gegen politische Gefangene sind selten; das Gesetz erlaubt der Regierung, „Verdächtige“ unbegrenzt in Haft zu halten. Der prominenteste unter ihnen ist Aleke Banda (mit dem Präsidenten nicht verwandt), ehemaliger Generalsekretär der Partei. Er wird seit 1980 festgehalten, weil er kritisiert hatte, daß sich Hastings Bandas von den Banken Staatsgelder zum persönlichen Gebrauch auszahlen ließ.

In einem Bericht aus dem Jahre 1990 verglich die US-Menschenrechtsorganisation „Africa Watch“ Malawi mit Ceausescus Rumänien. Von den Knöpfen auf Schuluniformen bis zu Frauenkleidern ist Bandas Porträt im Land allgegenwärtig. Nach ihm werden Straßen, Stadien, Schulen und sogar ein Nationalfeiertag benannt.

Offiziell ist Banda 87 Jahre alt, tatsächlich aber mindestens 95. Seine Herrschaft über Malawi erscheint wie ein seniles Anhängsel an ein erfülltes Leben: Als er 1964 das einstige Britisch-Nyasaland in die Unabhängigkeit führte, war er bereits im Rentenalter. Erzogen in einer schottisch-puritanischen Tradition, hatte er seine Studienzeit in Südafrika und den USA und ein 40jähriges Berufsleben als erfolgreicher Arzt in Großbritannien verbracht. In den letzten Jahren der Kolonialzeit zum prominenten Fürsprecher der Unabhängigkeit aufgestiegen, warf er nach seiner Machtergreifung 1964 seine Kritiker ins Gefängnis. Heute ist ein Großteil der malawischen Wirtschaft Bandas Privatbesitz — über die ihm gehörende Gesellschaft „Press Holdings“. Über seine Mätresse Cecilia Tamada Kadzamira (Amtstitel: „Offizielle Hostesse“) hat Banda einen mächtigen Herrscherklüngel aufgebaut. Wichtigste Figur: Staatsminister John Tembo, Cecilias Onkel, der inzwischen die Fäden des Landes in der Hand hält.

Am 8. März dieses Jahres regte sich zum ersten Mal offene Opposition gegen die Diktatur. Die katholischen Bischöfe des Landes verlasen von der Kanzel einen Hirtenbrief, in dem sie „Besorgnis“ äußerten. „Bestechung und Nepotismus sind im Aufwind“, erklärten sie. „Die Aufdeckung von Ungerechtigkeiten kann mit Verrat gleichgesetzt werden... Medienmonopol und Zensur verhindern den Ausdruck abweichender Meinungen; einige Menschen haben für ihre politische Meinung teuer bezahlt; Zugang zu öffentlichen Plätzen wie Märkte, Kliniken, Busdepots usw. wird denjenigen, die keinen Parteiausweis vorzeigen können, oft verweigert.“

Die mutigen Kirchenführer wurden verhaftet. Einer, der irische Priester John Roche, wurde des Landes verwiesen. Nach Kirchenangaben beschloß das Exekutivkomitee der Regierungspartei, die Kirchenführer umbringen zu lassen.

Doch die Kirchenleute fanden Nachahmer. Am 16. März kam es zu einer ersten Studentendemonstration in der Stadt Zomba. Mehrere Studenten sollen daraufhin in der Haft gestorben sein. Am 6. April versuchte der exilierte Gewerkschaftler Chakufwa Chihana, in sein Land zurückzukehren, wurde aber noch auf der Rollbahn des Flughafens festgenommen. Auslöser der Proteste in Lilongwe war nun der Beginn seines Prozesses am Mittwoch.

Viel Zeit hat Banda nicht, um den letzten Einparteienstaat Schwarzafrikas in die Moderne zu führen — morgen beraten Malawis Geldgeber in Paris über mögliche Konditionierung zukünftiger Finanzspritzen. Die in Sambia versammelte Exilopposition hofft, daß ähnlich wie im Falle Kenia Demokratisierungsauflagen gemacht werden. D.J.

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