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Staatsanwalt kippt Hauptanklage

■ Brandanschlag auf Ausländerwohnheim kein „versuchter Mord“ / 2 Jahre gefordert

Der Bremer Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach hat gestern im Prozeß um den Brandanschlag auf das Ausländerwohnheim Schwachhauser Heerstraße 110 am 3. Oktober 1991 den schwersten Anklagevorwurf des versuchten Mordes fallengelassen. In seinem Plädoyer vor der II. Jugendkammer des Bremer Landgerichts erklärte er, daß ein Tötungsvorsatz der drei Angeklagten Oliver D., Gregor S. und Hannes O. nicht nachzuweisen sei. Dagegen forderte er wegen schwerer Brandstiftung und Verstoß gegen das Waffenrecht zwei Jahre Jugendstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt werden muß.

Von Bock und Polach begründete sein hohes Strafmaß mit der „schweren, individuellen Schuld“, die die Angeklagten auf sich geladen hätten, als sie in der Tatnacht mit Molotow-Cocktails das Ausländerwohnheim in der Schwachhauser Heerstraße 110 in Brand gesetzt hätten. Die Tat sei von allen drei damals noch jugendlichen Tätern vorbereitet und unter Vorsatz begangen worden. Die Angeklagten seien nicht „instrumentalisiert“ worden, „und es ist schädlich, es ihnen mit solchen Worten so leicht zu machen“, erklärte der Oberstaatsanwalt. Der erhebliche Sachschaden von etwa 200.000 Mark und die Tatsache, daß die Angeklagten viele Menschenleben in Gefahr gebracht hätten, wirke sich strafverschärfend aus.

Als Tatmotiv räumte von Bock und Polach Ausländerfeindlichkeit ein, wollte dazu aber keine weiteren Ausführungen in seinem Plädoyer machen, weil die Jugendlichen bislang nicht als Mitglieder einer neofaschistischen oder rechtsradikalen Gruppierung aufgetreten sind.

Die drei Verteidiger plädierten für Jugendstrafen von einem Jahr ohne jegliche Bewährungsauflagen. Verordnete Gespräche würden erzieherisch nur „kontraproduktiv“ wirken, erklärten sie übereinstimmend.

Rechtsanwalt Joester warnte die Kammer vor einem strengen Urteil, weil es „zu einem schlimmen Mißverständnis in der Öffentlichkeit“ führe. Der Prozeß habe ohnehin eine „generalpräventive“ Aufgabe, die Jugendstrafe solle als Zeichen für die Öffentlichkeit dienen. Tatsächlich seien die Täter Opfer des gesellschaftlichen Bodens geworden, auf dem sie sich bewegt hätten. „Die Unmenschlichkeit wird nicht durch Rechtsextreme gefördert, sondern durch den Rest der Bevölkerung, die schweigende Mehrheit“, erklärte Joester. Dafür dürften die Jugendlichen nicht bestraft werden. Die Verteidigung hatte die starke ausländerfeindliche Stimmung in Schwachhausen als Auslöser für die „relativ spontane“ Tat (Joester) genannt. Damals hatten Schwachhauser Bürger eine Demonstration gegen das als „Drogenvilla“ bezeichnete Haus organisiert und mit abenteuerlichen Parolen die Stimmung gegen Asylbewerber angeheizt. Alle drei Rechtsanwälte waren sich aber einig, daß ihr oberstes Prozeßziel, das Fallenlassen der Anklage wegen versuchten Mordes, erreicht sei.

Von Bock und Polach kündigte eine Reihe von Hilfsbeweisanträgen an für den Fall, daß die Kammer in ihrem Urteil „nicht unbeachtlich unter meinen Anträgen“ bleiben sollte. Dann will er zusätzliche Zeugen befragen, die mehr Licht in die politischen Hintergründe bringen könnten. Auch werde dann möglicherweise der Tatbestand des versuchten Mordes noch einmal eine Rolle spielen. Überraschend hatte der Oberstaatsanwalt gestern auf die Vernehmung von weiteren Zeugen verzichtet.

Das Urteil wird Mittwoch verkündet.

Markus Daschner

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