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„Dieses Turnier war dieses Turnier“

Unklare Situation nach zwei Wochen der Klärung: Haben die Besten die Eishockey-WM gewonnen oder nicht, oder waren sie gar nicht da? Sicher ist nur: Der Weltmeister heißt erneut Schweden  ■ Aus Prag Peter Unfried

Zwei Wochen haben sie nun den Puck hin- und wieder hergespielt, dann her und wieder hin, noch einmal hin und schließlich und glücklich ein letztes Mal her. Jetzt herrscht Ruhe, nicht nur hier in Prag, euopaweit. Die harten Burschen sind allesamt in einen gewiß höchstverdienten Urlaub abgedüst, in dem es kein Forechecking gibt, kein Powerplay und kein Unterzahlspiel — möglicherweise.

Doch andere, die sich ein Vergnügen daraus gemacht haben, ihnen zwei Wochen beim Hinundher zuzuschauen, die stehen nun in der Verantwortung, die müssen nun sagen, was sie aus dem Ganzen gelernt haben. Was gar nicht so einfach ist.

Beginnen wir daher beim Faktischen. Weltmeister sind die Schweden geworden, nicht zuletzt deshalb, weil sie das Endspiel gewonnen haben, 5:2 gegen die Finnen. Ob Conny Evenssons Blondschöpfe auch die Besten waren, ist eine andere Frage. Am Anfang mit Sicherheit nicht, denn da, so Evenssons Assistent und Nachfolger Curt Lundmark, „haben wir keine Tore geschossen“, und somit, man höre und fröstele, „sogar gegen Deutschland verloren!“. Am Ende schon, denn da nun „haben wir so gespielt, wie wir schon am Anfang gewußt hatten, daß wir spielen können“. So nämlich: Hinten dicht, und vorne aus einer Handvoll Chancen fünf Tore gemacht: So gewann man gegen die Finnen.

Jene wiederum hatten mit derselben Devise stark begonnen, sieben Spiele hintereinander gewonnen, doch waren bereits im Halbfinale, gegen die Tschechoslowakei, da längst nicht mehr bei Kräften, nur noch mit Glück und Penalties vorwärtsgekommen.

Im Endspiel schlief dann ausgerechnet Coalie Markus Ketterer, den die Journalisten zuvor bereits mit großer Stimmenzahl zum besten Torhüter des Turniers gewählt hatten; weitere „persönliche Fehler“, wie Sakari Pietilä, der finnische Assitenzcoach mitbekommen hatte, kamen dazu, „das kann man sich auf diesem Niveau einfach nicht leisten“.

Womit die leidige, die große, die einzige Frage unvorsichtigerweise provoziert und nicht mehr zu vermeiden war: Auf welchem „diesem“ Niveau bitteschön? „Dieses“ Niveau war doch hundsmiserabel, sagen die Leute, die früher auch schon zugeschaut haben und es daher wissen müssen. Beweise? Die Russen ohne fast ein Dutzend ihrer einstigen Stützen, die Kanadier ohne eine einzige herausragende NHL-Persönlichkeit, die Amis lausig, früher, so jene Experten, habe man die ganze Chose schon weit niveauvoller durchexerziert.

Andere sehen das nicht so, doch, was bitteschön soll Curt Lundmark, gerade Wetmeister geworden, anderes sagen, als, daß er solchen Experten gar nicht recht geben möge, es sei im Gegenteil „ein gutes Turnier“ gewesen, bei dem nicht nur die Schweden, sondern „vier, fünf Teams sehr gut Eishockey spielten“.

Es ist dieser übermächtige Schatten, der sich jedes Jahr aufs Neue von Nordamerika über das Turnier erhebt, den man, ob Sonne oder Regen, ob gute oder nicht so gute WM, nie so recht los wird: Immer ist da die Vermutung, ach was, die Gewißheit, daß eine Weltmeisterschaft keine sein kann, wenn die Weltbesten einfach nicht mitmachen. Und immer stellt sich daher die Frage, ob es denn nicht doch einmal möglich wäre, daß jene Besten kommen, um einfach mal zu beweisen, was a priori schon Allgemeinwissen ist. Aber Sakari Pietilä ist beileibe nicht der einzige, der weiß, daß das „völlig unmöglich“ ist. Amerikas Stanleycup setzt Milliarden um, und dummerweise eben genau zur selben Zeit, während der tschechoslowakische Eishockeyverband nicht einmal genügend Zaster aufbrachte, um die WM selbst veranstalten zu können — eine österreichische Agentur mußte einspringen.

Andererseits, wem wäre damit gedient, wenn die NHL-Truppen eine Zweiklassengesellschaft wiederherstellten, die gerade so schön aufgebrochen ist? Das ist doch auch was wert: Die Finnen holen mit einer Juniorentruppe ihre erste WM-Medaille überhaupt, die Schweizer schaffen mit John Slettvolls Riegel und dem gehobenen Niveau ihrer Nationalliga A den Sprung in die Elite, zu der sich auch die Deuschen zählen können, die, wie der drittbeste Scorer des Turniers, der Kaufbeurener Dieter Hegen, hofft, im nächsten Jahr in München und Dortmund durchaus sogar noch mehr erreichen können.

Wer dann nicht da ist, aber möglicherweise besser, hat eben Pech gehabt, wie heuer auch. Oder wie der schlaue Pietilä es formuliert hat: „Dieses Turnier hier in Prag war dieses Turnier.“ Und sein Center Christian Ruuttu, immerhin ein NHL- Weiser, behauptet: „Wenn du nach einem Spiel in den Spiegel schauen und dir sagen kannst, du hast alles getan, was möglich war, dann ist das gut genug!“ Na also.

Fassen wir also zusammen: Es war ein gutes Turnier, auch wenn es weit bessere gegeben haben mag. Die Besten haben entweder gewonnen oder nicht, oder sie haben erst gar nicht mitgespielt. Die Schlechten sind besser geworden, möglicherweise auch die Besseren schlechter. Daß die einen gewonnen haben und nicht die anderen, lag mal an persönlichen, mal an taktischen Fehlern, manchmal gab es Gründe im nervlichen Bereich, bisweilen waren auch schon mal die Schiedsrichter schuld, und im nächsten Jahr wird man den Puck wieder zwei Wochen lang erst hin- und dann wieder herschieben.

Sonst noch was? Sakari Pietilä, Silbermedaillengewinner: „Mehr gibt's dazu nicht zu sagen.“ Also: Schlußsirene, Hymne, Shakehands.

Spiel um Platz drei: CSFR - Schweiz 5:2 (2:0, 0:2, 3:0); Tore: 1:0 Liba (2:16), 2:0 Svehla (14:52), 2:1 Eberle (34:30), 2:2 Triulzi (39:59), 3:2 Janecky (41:45), 4:2 Reichel (52:31), 5:2 Hrbek (58:49); Zuschauer: 12.500

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