: Soli-Bewegung versinkt in Apathie
Am Wochenende trafen sich in Bonn 85 VertreterInnen von Antiapartheidsgruppen in Deutschland Keine Entscheidung über künftigen Kurs — aber auch keine Auflösung wie in den Niederlanden ■ Von Jörgen Klußmann
Von Aufbruchstimmung war auf der mit 85 TeilnehmerInnen überraschend gut besuchten Mitgliederversammlung der deutschen Antiapartheidsbewegung (AAB) am Wochenende in Hohenunkel bei Bonn nichts zu spüren. Enttäuschung und Frustration über die Zunahme der Motivations- und Interessenlosigkeit kennzeichneten das Bild. Seitdem sich die Verhandlungspartner im wesentlichen darin einig sind, daß eine Übergangsregierung geschaffen wird und nur noch Einigkeit über das Wie erreicht werden muß, klagen die mit Südafrika betrauten Solidaritätsgruppen über Mitgliederrückgang und finanzielle Einbußen.
Dabei sei für Verzweiflung weder die Zeit noch der Ort, gaben die geladenen Gäste, die für Deutschland zuständige ANC-Repräsentantin Sankie Nkondo und der namibische Botschafter Bonny Haufiku, in Bonn zu bedenken. „Wir brauchen euch noch weiterhin“, war die entscheidende Message und ging einher mit einem großen Lob und Dank für das Erreichte. Auch weiterhin gäbe es noch viele Dinge zu tun, beispielsweise in der Organisation von Kampagnen der Lobbyarbeit; aber auch in der Überwindung des Nord-Süd-Gefälles ganz allgemein.
Die Botschaft stieß nicht auf taube Ohren. Daß die Durchhalteparole angekommen war, ließ sich deutlich aus dem Votum für ein „Weitermachen wie bisher“ ablesen.
Anders als die niederländische AAB, die ihre Auflösung nach der Annahme einer neuen Verfassung in Südafrika plant, sieht die deutsche AAB die Notwendigkeit einer Fortführung der Solidaritätsarbeit über diesen Zeitpunkt hinaus. Allerdings soll nach Annahme einer neuen Verfassung in Südafrika eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen werden, die eine Neugründung einer Post-Apartheid-Solidaritätsgruppe beschließt. Im Zentrum dieser Arbeit wird die Partnerschafts- und Projektarbeit stehen. Diskutiert wurden auch Ansätze einer völligen Neuorientierung der AAB in Richtung Antirassismus, die auch eine Satzungs- und Namensänderung beinhaltet hätten. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit. Statt dessen sollen inhaltliche Aspekte des Rassismus auch mit potentiellen Bündnispartnern auf einem bundesweiten Seminar erörtert werden.
Der Hauptschwerpunkt einer künftigen Solidaritätsarbeit wird bei der Beobachtung des Demokratisierungsprozesses in Südafrika liegen. Geplant ist eine bundesweite Aktion, die zum Tag der Einsetzung einer neuen südafrikanischen Interimsregierung anlaufen soll. Diese Aktion soll dafür werben, freie Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung in einem Klima der Fairneß und Freiheit stattfinden zu lassen. Weitere Schwerpunkte werden die Vorbereitung der Bielefelder Konferenz der Solidaritätsgruppen zum südlichen Afrika vom 6. bis 8.November 1992 sein. Von der Bielefelder Konferenz wird allgemein erwartet, daß sich die verschiedenen Organisatoren und Gruppen zu einem größeren Bündnis zusammenschließen.
Die Entscheidung über den künftigen Weg der Antiapartheidbewegung ist damit fürs erste aufs Eis gelegt worden. Diskussionsstoff werden dabei auch die unterschiedlichen Vorstellungen von ANC und NP über die Zeitpläne für die Übergangsphase bieten, die zwischen 18 Monaten und zehn Jahren liegen. In dieser Phase des Übergangs bleiben viele Probleme, die die Menschen in ihrem sozialen Elend betreffen, weitgehend ungelöst. Die durch Ausgrenzung und Übervorteilung brutalisierte Gesellschaft sucht nach Ventilen, wie sie ihren Enttäuschungen Luft machen kann.
Kürzlich wurde die letzte gesetzliche Säule der Apartheid, der Population Registration Act, der die Bevölkerung in verschiedene Rassen einteilt, vom Parlament aufgehoben. Damit ist die institutionalisierte Spielart des Rassismus, die Apartheid, praktisch abgeschafft. Nur langfristig kann diese Entwicklung auch einen Abbau der Folgen und Auswirkungen der Apartheid, zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitswesen, nach sich ziehen.
Mit der teilweisen Aufhebung der Boykotte hat die internationale Gemeinschaft dem Reformprozeß Rechnung getragen. Doch angesichts wachsender Ausländerfeindlichkeit und Rassismus auch in Deutschland bleibt unverständlich, daß die deutsche AAB sich noch nicht einmal zu einem Statement zu den Rassenunruhen in den USA durchringen konnte.
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