Sexuelle Gewalt im Wickelraum

■ Prozeß gegen Leiter und Erzieherin eines Kölner Kinderladens/ Anklage: Sexueller Mißbrauch von sieben Kleinkindern

Berlin (taz) — Der ehemalige Leiter eines Kölner Kinderladens, Rainer S., soll in den vergangenen Jahren mindestens sieben von fünfzehn ihm anvertrauten Kindern sexuell mißbraucht haben. Eine Erzieherin der vom Landschaftsverband Rheinland bezuschußten Einrichtung steht ebenfalls vor Gericht. Die Kölner Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, an den sexuellen Mißhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Wie die 'Frankfurter Rundschau‘ gestern berichtete, bestritten der 40jährige Diplompsychologe und die Erzieherin vor Gericht die Vorwürfe. In dem Prozeß vor der Zweiten Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts geht es um den sexuellen Mißbrauch an einem heute vierjährigen Jungen. Die Aussagen von sechs weiteren Kindern liegen der Staatsanwaltschaft erst seit kurzem vor, so daß die Verfahren nicht zusammengefaßt werden konnten.

Der vierjährige Junge, auf dessen Aussagen sich die Anklage stützt, wurde bereits als Säugling in dem Kinderladen betreut. Im Frühjahr 1990 schockierte er seine Eltern damit, daß er im Spiel den Penis seines kleineren Bruders in den Mund nehmen wollte, weil dies „der Rainer“ auch mit ihm gemacht habe. Vor einer Kriminalbeamtin und einer Kindertherapeutin hatte der Junge später weitere, ähnliche Szenen geschildert, die den Verdacht auf sexuellen Mißbrauch erhärteten. Vor Gericht sagte die Kindertherapeutin, diese Szenen hätten sich vor allem im Wikkelraum abgespielt. Andere Erzieherinnen hätten nach den Schilderungen der Kinder ebenfalls Bescheid gewußt. Die Therapeutin, die inzwischen auch andere Kinder aus dem Kinderladen betreut, sagte weiter, die Schilderungen der Kinder stimmten im wesentlichen überein und seien glaubwürdig. Danach hätten alle Formen sexueller Gewalt stattgefunden „außer der Penetration“. Der Angeklagte leugnete vor Gericht nicht, einer Gruppe anzugehören, die sich „Sex-Peace“ nennt und den Ideen des inzwischen wegen sexuellen Mißbrauchs verurteilten Österreichers Otto Mühl nahesteht. Die Erzieherin erklärte, bei „Sex- Peace“ gehe es um freie Sexualität und die Abschaffung der Kleinfamilie.

Bereits im März war im Münsterland ein 32jähriger Erzieher aufgeflogen, der in fünfundfünfzig Fällen in reformpädagogischen Montessori-Kinderhäusern in Borken und Coesfeld 4- bis 7jährige Kinder mißbraucht und mit ihnen Pornofilme gedreht haben soll. bm