Gestreckte Monster

■ Verlängerte Versionen — gelungen ist „Der mit dem Wolf tanzt“, verdummt: „Aliens“

Ridley Scott bastelte 1979 aus einer eher dünnen und altbackenen Grusel-Geschichte einen der besten Science-fiction-Filme überhaupt. Mit Hilfe eines kleinen Tricks machte der Regisseur sich gleichzeitig um die Frauenbewegung verdient. Das Drehbuch für Alien sah als triumphalen Sieger wie üblich einen Mann vor, Scott schrieb das ganze Ding um und installierte eine Heldin. Mehr noch: Der britische Regisseur ließ Ellen Ripley (Sigourney Weaver) nicht, wie in Hollywood ebenfalls üblich, mit den „Waffen einer Frau“, sprich Körper und Verführungskunst kämpfen, sondern mit dem Kopf. Folgerichtig ist sie am Schluß die einzige Überlebende.

Sieben Jahre nach diesem Weltraum-Einsatz inszenierte James Cameron nach seinem eigenen Drehbuch mit Aliens — Die Rückkehr eine Fortsetzung des Monster-gegen- Ramboline-Abenteuers: Frau Ripley ist 57 Jahre lang, wie in einen Dornröschenschlaf gefallen, in einer winzigen Raumfähre im All unterwegs gewesen, als sie aufgefischt wird. Kurz darauf läßt sie sich, ziemlich widerwillig, dazu überreden, mit einer Einheit von Marinesoldaten als „Beraterin“ auf eben jenen unwirtlichen Planeten zurückzukehren, von dem der tödliche Organismus kam, der ihre ganze Crew gemeuchelt hatte. Auf LV-426 angekommen, muß der Trupp Weltraum-GIs feststellen, daß sämtliche Siedler, die dort vor einigen Jahren abgesetzt wurden, tot sind. Die Aliens haben sich hier inzwischen häuslich niedergelassen. Die Schlacht beginnt. Während des Gemetzels wird eine Überlebende entdeckt, ein kleines Mädchen. Ripley nimmt sich der total verängstigten Newt an, wird damit zur Mutter und ist jetzt endlich bereit, auch aktiv zu kämpfen. Im Finale steht sie der Mutter der Monster gegenüber und bleibt natürlich Siegerin. — Der Streifen wurde ein Kassenschlager, und seit der Der PateII hat kein Nachfolgefilm so gute Kritiken bekommen wie Aliens. Manche Kritiker und Zuschauer halten ihn sogar für besser als das Original. Hunderte von Artikeln wurden verfaßt. Die meisten von ihnen setzten sich intensiv mit der Rolle der starken Frau in dem Spektakel auseinander. Nicht nur Feministinnen stieß es sauer auf, daß da eine Frau erst wieder Mutter werden muß, um ihre Überlegenheit unter Beweis zu stellen.

Die ganzen Diskussionen wurden vor ein paar Wochen schlagartig beendet, als die „lange Version“ von Aliens auch bei uns auf Video-Kassette herauskam. Um insgesamt 22 Minuten ist diese neue Fassung, nein, nicht reicher, sondern ärmer. Herausgekommen ist nämlich ein ganz anderer Film, und zwar ein schlechter. Die hinzugeschnittenen Kampfszenen sind belanglos und überflüssig; die neuen Passagen, die zeigen sollen, was auf dem Unglücksplaneten vor dem Eintreffen der vermeintlichen Retter passiert, sind tödlich für Spannung und Rhythmus. Ganz zu Anfang müssen wir außerdem erfahren, daß Ellen Ripley längst Mutter ist beziehungsweise war. Ihre Tochter starb im hohen Alter, während Mama — per Tiefkühlschlaf jung gehalten — ein halbes Jahrhundert durchs All getrudelt war.

Die gestreckten Aliens-Massenschlachtungen kann man sich also getrost sparen. Es gibt allerdings auch verlängerte Filme, die durchaus sehenswert, ja gar besser sind als die ursprüngliche Fassung. Kevin Costner zum Beispiel ließ schon kurz nach dem gigantischen Erfolg, den er mit Der mit dem Wolf tanzt feierte, verkünden, er würde noch eins draufsetzen: „Wir entschieden uns aus verschiedenen Gründen dafür, eine verlängerte Version von Der mit dem Wolf tanzt herzustellen. Die 52 Minuten, die dieser ,neuen‘ Fassung hinzugefügt wurden, waren von vornherein schon schwer herauszuschneiden. Die Chance, sie einem Publikum vorzustellen, ist unwiderstehlich.“ Die Handlung hat sich nicht geändert. Der vom Krieg angeekelte Leutnant John J. Dunbar (Kevin Costner) fällt unter die Indianer und wird zu einem mustergültigen Liberalen. Doch die meisten Schwächen, die im Original unübersehbar waren, werden hier korrigiert: Der kaum verständliche Selbstmord des irren Majors in Fort Hayes wird näher erläutert; es wird erklärt, wie es zu dem heruntergekommenen Zustand von Fort Sedgewick kommen konnte und was mit seinen Bewohnern passierte. Die Sioux erscheinen nicht mehr so sehr als New-Age-Hippies. Sie werden realistischer und brutaler dargestellt. Dunbar ist jetzt sichtbar entsetzt, als die Indianer die weißen Jäger, die die Büffel nur wegen ihrer Häute jagten, fangen, ermorden und verstümmeln. Auch das Umwelt-Thema wird deutlicher präsentiert. In einer neuen Sequenz wird Dunbar von seinem Freund „Strampelnder Vogel“ zu einem Ausritt eingeladen. Der Indianer zeigt ihm ein Tal, das seinem Volk heilig ist, weil in ihm „alle Tiere erschaffen wurden“. Als sie ins Tal hinunterreiten, sehen sie, daß der weiße Mann schon da war. Überall liegen halbverweste Tierkadaver neben leeren Flaschen und anderem Zivilisationsmüll herum. Dadurch verstärkt sich die Beziehung zwischen den beiden Männern. Außerdem wird deutlich, warum Dunbar immer wütender wird und in Erwägung zieht, wie ein Sioux zu leben und zu handeln. Entscheidend aber ist, daß die Langversion viel skeptischer ist, ob Dunbar überhaupt ein Indianer werden kann. So macht auch das Ende mehr Sinn, als Dunbar zu dem Schluß kommt, seine Zukunft liege darin, den Stamm zu verlassen und (vielleicht) in die Gesellschaft der Weißen zurückzukehren.

Mit Aliens und Der mit dem Wolf tanzt wurde jedoch noch längst nicht das letzte Stück in Sachen „lange Version“ gegeben. Im Gegenteil, jetzt geht's erst richtig los. Der nächste verlängerte Film, der in unsere Kinos kommt, ist ein moderner Klassiker: Ridley Scotts Blade Runner. Karl Wegmann