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Rühe mutiert zum Militärpfarrer

■ Der neue Verteidigungsminister empfiehlt seinen Kommandeuren, die Truppe moralisch aufzurüsten/ Mehr Geld für Soldaten, weniger für Material/ Jäger 90 sei Geldverschwendung

Leipzig (ap) — Den gemeinen Soldaten zu hegen und zu pflegen, um die Truppe bei Laune zu halten — das empfahl Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) mit pastoraler Milde gestern zum Abschluß der 33.Kommandeurtagung in Leipzig dem uniformierten Führungspersonal.

Im Stil eines Militärseelsorgers erklärte der gewendete Scharfmacher und frühere Generalsekretär der Unionschristen den Bundeswehrkommandeuren: „Führen heißt zuallererst sich kümmern, sich sorgen, heißt teilen und füreinander dasein.“

Die Bosse müßten sich vor allem um die persönlichen Schwierigkeiten speziell der Ossis kümmern, um die Probleme innerhalb der Truppe besser zu meistern, die mit der Zusammenlegung von Nationaler Volksarmee und Bundeswehr entstanden seien. Rühe selbst will dafür sorgen, daß mehr Geld in die Kassen kommt, das zur Verbesserung der Lebens- und Dienstbedingungen der Soldaten ausgegeben werden soll. Ohne den Jäger 90 konkret zu nennen, sagte Rühe weiter, es dürfe nicht länger „rigoros zugunsten der Modernität des Wehrmaterials argumentiert werden, ohne zugleich auch das Wohl unserer Soldaten im Auge zu haben“.

Die Bundeswehr stehe „vor der größten Herausforderung seit ihrer Gründung“, meinte Rühe. Der Umbruch müsse überwunden und die Motivation der Soldaten wieder erhöht werden, da sie sich auf Kampfeinsätze außerhalb Deutschlands einstellen müßten. Denn zukünftig sollen sie sich in aller Welt an den Blauhelm-Einsätzen der UNO beteiligen.

Dies bezeichnete auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, als wichtigste neue Aufgabe der Streitkräfte. Zumindest für Zeit- und Berufssoldaten müsse es selbstverständlich werden, jederzeit außerhalb Deutschlands eingesetzt werden zu können. Um auch die Wehrpflichtigen heranzuziehen, fehle noch ein Beschluß.

Rühe erklärte, er werde sich bemühen, noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für die Blauhelm-Einsätze zu schaffen. Die Entsendung von Sanitätern nach Kambodscha sei ein erster Schritt. In ersten Gesprächen mit der SPD-Opposition habe er in diesem Punkt Übereinstimmung konstatiert. Über militärische Einsätze deutscher Soldaten in Krisengebieten müsse man später reden.

Vor allzu weitgehenden Sicherheitsgarantien für die GUS-Staaten warnte Rühe, da sie die Nato auf Dauer überfordern würden. Europa müsse Instrumente entwickeln, um seine „ureigensten Sicherheitsinteressen“ zu wahren. Die Westeuropäische Union sowie das von Deutschland und Frankreich initiierte Euro- Korps könnten die europäische „Verteidigungs-Identität“ stärken, meinte Rühe.

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