: „Finanzpolitischer Geisterfahrer“
■ SPD und DGB kritisieren Waigels Finanzpaket als Mogelpackung, weil nirgendwo wirklich gespart werde
Bonn (dpa/afp/taz) — Waigel spare gar nicht wirklich. Sein Finanzpaket, das am Mittwoch per Kabinettsentscheidung zum Regierungsprogramm wurde, führt nach Auffassung der SPD-Finanzsprecherin Ingrid Matthäus-Maier zu mehr Ausgaben als die bisherigen Finanzpläne der Bundesregierung. Mit der neuen 2,5-Prozent-Grenze in den Jahren 1992 bis 1995 sei es der Regierung möglich, bis zu 30 Milliarden Mark mehr auszugeben, kritisierte Matthäus-Maier gestern.
Die SPD-Finanzexpertin verteidigte das von der SPD vorgelegte Finanzkonzept über 40 bis 50 Milliarden Mark, über das das SPD-Präsidium bis zum Gespräch der Parteivorsitzenden von CDU, SPD, FDP und CSU am 27. Mai entscheiden werde. Sie wies die Koalitionskritik an diesem Paket wegen der darin enthaltenen Arbeitsmarkt- und Ergänzungsabgabe sowie der geforderten Rücknahme der Vermögen- und Gewerbesteuersenkung zurück. Für diese Unternehmensteuersenkung von 4,5 Milliarden Mark jährlich hätten die BürgerInnen keinerlei Verständnis.
Die SPD-Politikern nannte Waigel einen „finanzpolitischen Geisterfahrer, der stur weiter in die falsche Richtung fährt, obwohl jeder in unserem Land weiß, daß das Steuer in der Finanzpolitik herumgerissen werden müßte“.
Nach 51 Milliarden Mark jährlich an höheren Abgaben seit 1991 werde eine neue Welle solcher Erhöhungen auf die Bürger zukommen. Die SPD halte eine Ergänzungsabgabe für Besserverdienende für das kleinere Übel gegenüber der Mehrwertsteuererhöhung von 14 auf 15 Prozent, sagte die SPD-Abgeordnete.
Selbst das Bundeswirtschaftsministerium beziffere die ungedeckten Haushaltsrisiken mit zweistelligen Milliardenbeträgen jährlich. Absehbar, aber weitgehend nicht berücksichtigt seien milliardenschwere Belastungen. So müsse der Bund für Transferrubelforderungen von 24 Milliarden Mark aus dem Geschäft mit Osteuropa geradestehen. Auch auf Bonn kämen internationale Hilfsprogramme für Osteuropa zu.
Auch die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer, hat Waigels Sparpläne scharf kritisiert. Durch die Streichung der Bundeszuschüsse für die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit sollten „finanzielle Sachzwänge für einen knallharten Sozialabbau geschaffen werden“, sagte Engelen- Kefer gestern. Mit insgesamt 52 Milliarden Mark sei den kleinen und mittleren Beitragszahlern aus dem Westen bereits ein einseitiges Sonderopfer für den Arbeitsmarkt im Osten abverlangt worden. Somit müßten die kleinen Leute im Westen daür bezahlen, daß die kleinen Leute im Osten arbeitslos seien.
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