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EINFACH NUR RÜGEN UND MEER

Rügen boomt. Deutschlands größte Insel schickt sich an, ihre touristische Tradition auch unter den veränderten politischen Bedingungen bruchlos fortzusetzen. Aber: Zu DDR-Zeiten entfaltete sich auf Rügen so manches, was der Insel im Vergleich zu Westregionen einige Vorteile verschafft hat. Was Wessis ins Schwärmen bringt, nämlich der einzigartige Naturreichtum, die Ästhetik der Landschaft und die Zeugnisse der vergangenen wilhelminischen Bäderkultur — unter einem bundesdeutschen Tourismus wäre das alles längst bis zur Unkenntlichkeit auf Einheitsmaßstab zurechtgemodelt und touristisch konsumierbar gemacht worden. Auf Rügen wird dieser Prozeß jetzt schneller als in anderen östlichen Regionen vonstatten gehen, denn touristischer Bedarf und wirtschaftliche Zwänge verlangen den Rügenern ein schnelles Handeln ab. Hanno Stöcker hat seinen Reiseführer Rügen und Meer in dem Bewußtsein der drohenden Ummodelung verfaßt. Mit viel Sympathie für die Rügener entwirft er ein Rügen-Bild, das sich schnellen Konsumvorstellungen entgegenstellt. Seine Begeisterung für das Flair der Insel entzündet sich am „Charme des Vergangenen“ und an einer „bestimmten Eigenromantik“, die durch „jahrzehntelanges menschliches Nichtstun“ entstanden ist. Naturschauspiele wie an der Stubbenkammer faszinieren ihn ebenso wie die Farbkonnotationen der Insel. Um seinen Stimmungsbildern Ausdruck zu geben, greift er mitunter tief in die Romantikkiste und verstreut auch gerne Assoziationen wie: „Irgendwie erinnert dieser Schulraum an Max und Moritz (Lehrer Lempel: Vierter Streich!)“.

Hanno Stöckers eindringlichste Eindrücke können erst seit der politischen Wende von allen geteilt werden, aber gerade wegen der Wende werden sie sich bald verflüchtigen. Sie gehören einem Übergangsstadium an. Als dauerhaft werden sich dagegen die steinernen Gigantomanien aus der Vergangenheit behaupten, von denen er sich distanziert: beispielsweise das kasernistische KdF-Feriengelände Prora und der völlig überdimensionierte Fährhafen Mukran. In beiden Fällen handelt es sich um Projekte, in denen sich ideologisch-militärische mit zivilen Zielen verschränkten.

Die Beschreibungen der Insel enthalten viele aktuelle Informationen. Auf einen gesonderten „Serviceteil“ hat Hanno Stöcker verzichtet; wichtige Hinweise und Adressen stehen jeweils am Textrand. Was das Buch neben den subjektiven und aktuellen Eindrücken zu einem aufwendigen Rügen-Führer macht, ist das darin eingegangene historische Material. Hanno Stöcker verarbeitet sowohl zwei Vorkriegsgenerationen des „Grieben“ als auch den Rügener Sagenschatz. Martin Esche hat dazu stimmige Schwarzweißfotos geliefert. Christel Burghoff

Hanno Stöcker: Rügen und Meer. Band1 der Reiseführer- Reihe Land & Leben. Stattbuch Verlag, Berlin 1991, 19DM.

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