: Fragliche Pilotfunktion
■ Bezirke werden sich — wohl oder übel — anschließen müssen
IGM-Chef Franz Steinkühler meinte am Montag morgen, der Abschluß sei ein Erfolg seiner Gewerkschaft, wenn auch „kein rauschender Sieg“. Das massive Verlangen der Arbeitgeber, die nächste Stufe der Arbeitszeitverkürzung hinauszuschieben, sei abgewehrt, und der Versuch von Möllemann, Gottschol und anderen, die Realeinkommen der Arbeitnehmer zu beschneiden, sei für 1992 gescheitert.
In den nächsten Tagen werden in allen anderen Tarifbezirken die Verhandlungen um die Übernahme des Karlsruher Kompromisses stattfinden. Ob dies so reibungslos ablaufen wird, wie es sich der Vorsitzende der IG Metall erhofft, ist fraglich. Denn nach allem, was Arbeitgeber und Politiker sich in diesem Jahr an tarifpolitischen Zumutungen geleistet hatten, waren die Metaller „heiß“. In vielen Tarifbezirken waren alle Vorbereitungen für den Streik getroffen. Die Betriebe waren ausgewählt, die Zeitpläne für den Arbeitskampf standen fest. Das galt nicht nur für die kampferprobten Metaller aus dem Südwesten. Auch im nördlichen Bezirk Küste standen die Mitglieder in den Startlöchern.
Nun muß alles abgeblasen werden. Wieder einmal, wie so oft in den letzten Jahren, wurde der Durchbruch im Tarifbezirk Nordwürttemberg-Nordbaden erzielt. Die übrigen Regionen werden sich wohl oder übel anschließen müssen. Dies schafft nicht nur in den Betrieben böses Blut, sondern auch unter den hauptamtlichen Funktionären anderer IG-Metall-Bezirke, die sich alle erdenkliche Mühe gegeben haben, ihre Basis zu mobilisieren, und nun doch wieder Zuschauer spielen müssen. „Man fragt sich, warum wir überhaupt noch da sind“, so ein Hamburger Funktionär zur taz. Er sieht die Gefahr, daß die IG Metall durch die immer wiederkehrende Fixierung auf den Stuttgarter Bezirk langfristig ihre gesellschaftliche Mobilisierungsfähigkeit im gesamten Bundesgebiet verliert. marke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen