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Spitzen gegen die Spitze

■ Nicht ohne Selbstironie: Feministisches Kabarett mit »Milly n' Molly«

Ehrlich gesagt kann ich Lila schon lange nicht mehr ausstehen. Bei der Farbe hört meine Solidarität für die Frauenbewegung auf. Und dann kommen zwei selbsternannte »SuperWeiber« vom lila Planeten »Idela« dahergebeamt, umrahmt von lila Blitzen, und wollen mit ihrem Liebestrank »Erolila« der patriarchalischen Männerwelt auf unserem blauen Planeten zu Leibe rücken.

Milly n' Molly aus Melle (dortselbst im Kulturhaus »Wilde Rose« anzutreffen) beamen sich am Dienstag abend in der Theodor-Heuss-Bibliothek (im Rahmen der Schöneberger Frauenkulturwochen) irgendwie doch in mein Herz, weil die rotzfrechen Weiber in ihrem feministischen Kabarett nicht weinerlich in Selbstmitleid und Therapieansatz ob der ach so schlechten Männerw... (das brauch' ich ja nicht weiter zu erklären) steckenbleiben. Nein, mit selbstironischen Spitzen gegen die Spitze im Kampf gegen das Patriarchat haben sie einen unterhaltsamen Weg gefunden, der Frauenbewegung solidarisch aufs Maul zu schauen. Erfrischenderweise werden Probleme nicht wiederkäuend ausdiskutiert, nein, die Widersprüche werden ausgelebt. Wie kann Matress, die Mutter des Mutterplaneten der Ersten Intergalaktischen matriarchalen Vereinigung auch damit fertig werden, daß ausgerechnet ihre Tochter Laser von einem Supermann wie dem Roten Korsaren träumt — und sich partout nicht davon abhalten läßt, diesen auf einem so rückständigen Planeten wie der Erde zu suchen? Mama (Karin Telge) kann nicht nein sagen, und so begibt sich ihre Göre (Ulla Pfund) auf Tour. Natürlich nur »zu rein wissenschaftlichen Untersuchungszwecken« — auf der Suche nach »dem einzigen Spaß, der uns mit ihnen geblieben ist«. Mutti Matress im Spacedress rauft sich ob der Tochter, deren Herz sich in der Mimik ausschüttet, die grünen Haare.

Und so beginnt ihre Tour durch die — von der Mutter gelenkten — Geschichte (und Märchen) der Frauenbewegung. Am Anfang war Lysistratra in Griechenland. Aber Laser findet den Slogan »no sex for peace« nicht ganz nach ihrem Geschmack. Ihre These: Nach dem zehnten Mal könne er bestimmt nicht mehr auf das Schlachtfeld — und schon gar nicht im Gleichschritt. Dann stand die Bekanntschaft mit den zwei derzeitig lebend anzutreffenden Kategorien von Frauen an: mit den emanzipierten, weil berufstätigen (Lasers Daumen oben) und den Hausfrauen (der feministisch sozialisierte Daumen geht runter). Laser sucht zum Trotz natürlich erst mal die Hausfrauen auf, weil sie bei denen die wahren Helden wähnt.

So manövrieren sich die beiden Frauen durchs Programm und sind nicht wenig stolz darauf, daß sich auch die überzeugtesten Feministinnen über ein Programm amüsieren, in dem es so ungeniert um die Lust auf einen »richtigen« Mann geht. Natürlich kommt die Spezies mit der Genanlage XY nicht immer gut weg, was die Typen, ohne die Frauen aus dem südlichen Deutschland nie bei Shows mit Milly n' Molly auftauchen sollen, dem Hörensagen nach zusamenzucken läßt. Die in Berlin dagegen waren wohl abgebrühter.

Auch wenn die Gesangseinlagen etwas an der Heiserkeit von Karin Telge leiden, dämmerte den (so genannten) Schwestern und zwei Brüdern kein lila Wunder, daß nach so viel Power auf der Bühne die wilden Hexen das Schlußwort haben, zwischenzeitlich ein Männertherapiezentrum (von Frauen geführt) bis 1994 ausgebucht ist und der Rote Korsar bei Greenpeace gegen Walfängerboote rudert. Die Spacephantasie blühte heftig und trug Wunderblüten — auch wenn manchesmal ein bißchen viel von weiblicher Intuition die Rede war. Petra Brändle

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