: Wie sag' ich's meinen Eltern?
■ Zwei Berliner Beratungsstellen helfen jungen Menschen dabei, mit ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung zu leben
Lambda ist der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets. In der Physik steht dieser für Wellenlänge. Lambda in der Weddinger Ackerstraße, ein 1990 gegründeter Ableger des gleichnamigen Bundesverbands, ist Beratungsstelle und Treffpunkt für Jugendliche, die auf der gleichen Wellenlänge liegen, das ihnen Ähnliche, sprich: das eigene Geschlecht begehren.
Noch wirkt die vor kurzem eingerichtete Beratungseinrichtung im Hinterhaus ein wenig provisorisch, fehlen sowohl Telefon als auch Hinweisschild. Die Beratungsarbeit muß überwiegend ehrenamtlich geleistet werden, zumal eine der beiden ABM-Stellen sinnigerweise mit einem Heterosexuellen besetzt wurde, der nicht als Berater eingesetzt wird. Dennoch findet ein regelmäßiges Angebot statt, treffen die rat- oder kontaktsuchenden Jugendlichen hier von Montag bis Freitag jeweils zwischen 15 und 17 Uhr auf engagierte AnsprechpartnerInnen.
Die Frage: »Wie sag' ich's meinen Eltern?«, ist dabei für viele junge Lesben und Schwule die brennendste und meist der Hauptgrund, der sie in die Ackerstraße führt. Die Eröffnung der eigenen Homosexualität gegenüber den Eltern ist häufig der zweite wichtige Schritt auf dem lebenslangen Weg des Coming-out. Ihm geht der Prozeß voran, sich selbst der Vorliebe für das eigene Geschlecht bewußt zu werden. Viele verdrängen diese Erkenntnis erst einmal, probieren sich in mehr oder weniger katastrophalen Beziehungen mit dem anderen Geschlecht, um sich und anderen ihre »Normalität« zu beweisen. Eine der lesbisch-schwulen Beratungsstellen überhaupt zu betreten kostet sie in der Regel einige Überwindung. In Einzel- und Gruppengesprächen, durch Rollenspiele und gemeinsame Aktivitäten versuchen die BeraterInnen in beiden Einrichtungen, den Jugendlichen den Rücken für ein Leben in einer nach wie vor wenig homosexuellen- freundlichen Gesellschaft zu stärken. Denn nur wer sich selbst als Lesbe oder Schwuler akzeptieren kann, ist in der Lage, die eigene Lebensweise gegenüber der Umwelt zu vertreten und, wenn nötig, zu verteidigen. Ein wichtiger Stützpfeiler neben dem Beratungsgesprächen ist dabei das Kennenlernen Gleichgesinnter und die Möglichkeit, mit ihnen gemeinsam die Freizeit zu gestalten. Uta und Dirk von Lambda versuchen die vielfältigen Interessen der Jugendlichen — auch Lesben und Schwule interessieren sich bisweilen für andere Dinge als ihr Sexualleben! — in ihren, nach Geschlechtern getrennten, Coming-out-Gruppen zu berücksichtigen. Für beide Gruppen werden übrigens noch TeilnehmerInnen gesucht! Demnächst wird es bei Lambda auch wieder ein Café mit Disco geben, wo sich die Junglesben und -schwulen die ganze Woche über treffen können.
Ein weiterer Schwerpunkt der Lambda-Arbeit sind Informationsveranstaltungen für Schulen und Jugendklubs. »Die Resonanz auf dieses Angebot ist erstaunlich gut«, weiß Dirk zu berichten, »manchmal haben wir pro Woche drei bis vier Treffen mit Schulklassen oder Jugendgruppen.« Die Reaktionen auf diese Veranstaltungen, bei denen jeweils eine Lesbe und ein Schwuler anwesend sind, reichen von Zustimmung bis offener Feindseligkeit. »Am häufigsten begegnen uns die Jugendlichen mit so einer gewissen Scheintoleranz«, erzählt Uta, »vor allem in Schulklassen trauen sich viele nicht zu sagen, was sie denken.« Aus dieser Erfahrung haben ihre KollegInnen der Lesben- und Schwulenberatungsstellen bereits ihre Lehre gezogen: »Bei uns bleiben mittlerweile die LehrerInnen in der Regel vor der Tür, beziehungsweise kommen erst gar nicht mit — die SchülerInnen trauen sich dann eher, den Mund aufzumachen«, resümiert Sabine aus der Lesbenberatung in der Kulmer Straße in Schöneberg. Auch dort werden Einzelberatungsgespräche, Coming-out-Gruppen und Informationsveranstaltungen für Jugendgruppen angeboten, sowie verschiedene Aktivitäten für Lesben aller Altersgruppen. Außerdem versuchen die MitarbeiterInnen, meist in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen aus der Schwulenberatung, durch diverse Aktionen eine öffentliche Präsenz von Lesben und Schwulen zu erreichen. »Meine Gemüsehändlerin hat eine Freundin, meine Nachbarin hat eine Freundin ... mein Bruder hat eine Freundin — Na und?« so der Text eines Plakates, mit dem sie an die Öffentlichkeit traten. Daß auch junge Lesben und Schwule ihrer Umwelt mit einem selbstbewußten »Na und?« entgegentreten können, ist eines der Hauptziele der Beratungsstellen. Sonja Schock
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