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Freizeiteinrichtungen in Ost- und West-Berlin

Berlin. Während gut besuchte Ostberliner Jugendclubs von der Schließung bedroht sind, stehen viele der Freizeitheime im Westen mehr oder weniger leer. Bereits vor einem Jahr kündigte Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) wegen der teilweise desolaten Lage eine umfangreiche Reform der Jugendfreizeitarbeit an. Passiert ist seither wenig. Als »enttäuschend« bezeichneten auch Sprecher aller Parteien, außer der SPD, Krügers Antwort auf eine entsprechende große Anfrage von SPD und CDU, die er bei der gestrigen Sitzung des Jugendausschusses im Abgeordnetenhaus vorstellte.

Zu den Unterschieden in Ost- und West-Berlin stellte Krüger fest, daß Freizeiteinrichtungen im Ostteil wegen der schlechteren Einkommensverhältnisse noch heute eine größere Bedeutung als im Westteil hätten. Während Westberliner Kids Computer, Videogeräte und Stereoanlagen für eine »Freizeitgestaltung zu Hause« besäßen, sei das Treffen in Gruppen im Ostteil noch weiter verbreitet. Ein Mehrbedarf ergäbe sich in den kommenden Jahren dort auch für ältere Jugendliche. Während das durchschnittliche Heiratsalter in der ehemaligen DDR bei 22 Jahren lag, beträgt es in der Bundesrepublik 28.

Um seinem Klientel gerechter zu werden, will der Jugendsenator im Ostteil die Jugendclubs und Schülerfreizeitstätten sichern. Von 118 Clubs sind bisher 14 wegen Rückübertragungsansprüchen ernsthaft in Gefahr. Für die Sechs- bis Zwölfjährigen sollen pädagogisch betreute Spielplätze eingerichtet und in den Bezirken Hellersdorf, Pankow, Treptow, Friedrichshain und Prenzlauer Berg weitere Jugendclubs gebaut werden. Für 1993 versprach Krüger, eine neue Gesamtkonzeption für Jugendfreizeitarbeit vorzulegen.

Die Zeit drängt: Der bauliche Zustand zahlreicher Jugendclubs ist desolat, es gibt zuwenig Spielplätze und Angebote für Jugendliche unter 16 Jahren, 200 ABM-Stellen im Jugendbereich laufen noch in diesem Jahr aus, zahlreiche Projekte sind mit horrenden Mietsteigerungen konfrontiert.

Demgegenüber stehen eine erhebliche Jugendkriminalität sowie 31.692 arbeitslose Jugendliche in Berlin. Als überfällig bezeichnete auch Irina Schlicht, stellvertretende CDU-Vorsitzende, neue Konzepte. In Krügers Antwort vermisse sie Impulse und neue Perspektiven. Als erheblich geschönt bezeichnete Sibylle Volkholz, Fraktion Bündnis 90/ Grüne Krügers Darstellung der Lage im Westteil. Die Jugendarbeit gehe zu wenig auf die veränderten Lebensbedingungen in der Großstadt ein. In einem Antrag fordern die Koalitionsparteien nun, Jugendfreizeiteinrichtungen im Westteil auch am Wochenende zu öffnen, die Jugendlichen stärker mit einzubeziehen sowie mehr Streetworker einzusetzen. jgo

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