: Zwei Gipfel gegen das G-7-Treffen
Sechs Wochen vor dem Weltwirtschaftsgipfel kämpfen die GegnerInnen vor allem gegeneinander ■ Aus München Henrike Thomsen
Das Münchner Bündnis gegen den Weltwirtschaftsgipfel sieht harten Zeiten entgegen. Sechs Wochen bevor sich die Regierungschefs der sieben reichsten Industrieländer (G-7, siehe Kasten) zu ihren alljährlichen Beratungen über die Lage der Weltwirtschaft treffen, sind die Grünen, der Bund Umwelt- und Naturschutz (BUND) und Pro Regenwald aus dem Bündnis von rund 60 Gruppierungen ausgestiegen, die Finanzierung des Gegengipfels und der Großdemonstration unsicher.
Dabei werden die VeranstalterInnen des Kongresses gegen den Weltwirtschaftsgipfel — Dritte Welt-, Ökologie-, Frauen- und Friedensgruppen sowie sozialistische und christliche Bewegungen — zunächst einen Anwalt brauchen, der sie vor Gericht gegen das Kreisverwaltungsreferat (KVR) München vertritt. Das KVR meldete am Montag „schwere Sicherheitsbedenken“ gegen die vor Monaten angemeldete Route an, welche die DemonstrantInnen am 4.Juli, zwei Tage vor Beginn des offiziellen Gipfels, nehmen wollen. Sie soll vom Marienplatz durch Innenstadt und Uni-Viertel bis zum Odeonsplatz führen, ergo durch das Sperrgebiet, zu dem die Polizei vom 4. bis 9.Juli die gesamte Münchner Innenstadt erklärt hat.
Doch auch wenn das Verwaltungsgericht die Route genehmigt, werden die Finanzprobleme bleiben. Für das ursprünglich gemeinsame Nationale Bündnis, das durch den Grünen-Ausstieg platzte, lagen 60.000DM bereit: 35.000 von der Heinrich-Böll-Stiftung, 15.000 von der Ökostiftung Bundstift und 10.000Mark vom Bundesvorstand der Grünen. Von diesem Geld sieht das verbliebene Bündnis nichts. Die Demonstration und die Gegenaktionen sollen nach den Worten von Sprecher Michael Backmund durch Spenden finanziert werden. Woher die kommen sollen, bleibt unklar.
Schwer durchschaubar ist allerdings auch die Haltung der Grünen. Sie begründeten ihren Ausstieg mit dem Vorwurf, daß die MünchnerInnen lediglich Diskussionen über die Dritte Welt und nicht mit Menschen von dort geplant hätten. Das Bündnis wiederum verwahrte sich dagegen, „sich ReferentInnen aufzwingen oder verbieten zu lassen“, heißt es in einer Presseerklärung. Offensichtlich hat sich der Grünen-Bundesvorstand entschlossen, an dem traditionellen internationalen Gegengipfel TOES (The Other Economic Summit) teilzunehmen, der in einem Kino am Odeonsplatz stattfinden soll. Auch die bayerischen Grünen mischen dort mit, liebäugeln aber schon wieder mit ihren alten Verbündeten. Nach den Angaben von Wolfgang Kreissl, Vertreter der bayerischen Grünen im bundesweiten Arbeitsausschuß für den Gegengipfel, besteht die Möglichkeit, daß der Landesvorstand wieder beim Gegenkongreß des Bündnisses einsteigt.
Die Münchner Gruppen wollen vom 3. bis zum 5.Juli in der Universität ein Diskussionsforum anbieten, zu dem neben dem ehemaligen brasilianischen Umweltminister José Lutzenberger weitere RednerInnen aus Lateinamerika, Indien und Afrika eingeladen sind. „Dies Programm entspricht im wesentlichen wieder unseren Vorstellungen, wenn auch das Ökologie-Forum fehlt“, so Kreissl. Entgegen dieser Kritik steht jedoch ein Ökologieforum auf dem Programm. Ende der Woche will der Landesvorstand nun endgültig beschließen, ob er sich dem Uni-Sprecherrat, der als Veranstalter des Münchner Gegengipfels zeichnet, wieder anbieten möchte.
Dieser erklärte dagegen in seiner Pressemitteilung, er lehne es strikt ab, „sich von einer Partei oder parteipolitischen Gruppierungen vereinnahmen zu lassen“. Nach Angaben von Michael Kühler, Mitglied im Kongreßbüro des Sprecherrats, können die VeranstalterInnen mit 55.000 bis 60.000Mark rechnen, das Geld stammt teilweise von den Fachschaften, der Stiftung Bundstift (die ihr Geld auf TOES und den Gegenkongreß aufteilt) und anderen SponsorInnen. Was aus dem Geld der Heinrich-Böll-Stiftung wird, ist noch nicht sicher.
Insgesamt handelt es sich bei der Finanzierung des Gegengipfels um lächerliche Summen, wenn man bedenkt, was allein das Sicherheitsaufgebot für „die größte Herausforderung der bayerischen Polizei seit den Olympischen Spielen 1972“ (Stoiber) kosten wird: 25 Millionen Mark. 15.000 Polizisten, davon 7.000 aus Bayern, sollen während des Gipfels in München eingesetzt werden. Die Teilnehmerzahl dürfte unter 10.000 liegen, JournalistInnen inklusive. Bereits im Vorfeld stehen die Vorbereitungstreffen der Initiativen unter massiver Polizeibeobachtung. Und wenn der Paragraph aus dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz zum Zuge kommt, nach dem „potentielle Unruhestifter“ 14 Tage in „Unterbringungsgewahrsam“ festgesetzt werden können, gibt es wahrscheinlich auf dem Gegengipfel nicht viel zu tun.
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