: CDU gegen Aufenthaltsrecht für DDR-VertragsarbeiterInnen
■ Tumulte im Ausländerausschuß: CDU und SPD streiten sich um ein Bleiberecht für die ehemaligen VertragsarbeitnehmerInnen/ Thüringen und Brandenburg setzen sich inzwischen für eine Umwandlung des Aufenthaltsstatus ein/ Schon werden die ersten Abschiebungsandrohungen verschickt
Berlin. Rechtzeitig vor den Wahlen machten Abgeordnete von SPD und CDU vorgestern noch einmal deutlich, daß sie nicht derselben Partei angehören — und stritten sich im Ausländerausschuß um ehemalige Vertragsarbeitnehmer. Zwei vietnamesische Vertreter, Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger sowie der Rechtsanwalt Matthias Zieger waren geladen, um einen Überblick über die Lage der noch etwa 11.000 überwiegend vietnamesischen ehemaligen Vertragsarbeitnehmer in den neuen Ländern und Berlin zu verschaffen.
Die ersten 45 Minuten boten jedoch keinen Überblick, sondern Anträge zur Geschäftsordnung in mehreren Akten des Provinztheaters Abgeordnetenhaus. Wegen »Befangenheit« beantragte die CDU-Fraktion, Zieger nicht anzuhören — schließlich sei er nicht von Sachverstand, sondern — als Ausländerrechtler — von finanziellen Interessen geleitet. Unter Tumulten wurde der Antrag abgelehnt — die CDU beantragte eine Auszeit und beschloß, der Anhörung Ziegers nicht beizuwohnen.
Für die nächste Unterbrechung sorgte eine Mitarbeiterin der staatlichen vietnamesischen Nachrichtenagentur mit ihrem Tonband. Der CDU-Abgeordnete Ekkehard Wruck, sonst der These, daß in Vietnam politische Verfolgung stattfinde, eher abgeneigt, regte an, die Presse auszuschließen, um die anwesenden Vietnamesen zu schützen. Zweite Pause. Die Presse blieb, die Vietnamesin ging. Eckhardt Barthel, Sprecher der SPD, freute sich. »Das ist aber schön, daß sie deutlich machen, wie problematisch die Lage in Vietnam ist.«
Zahlreiche der 4.500 bereits nach Vietnam Zurückgekehrten hätten ihren Schritt bitter bereut, berichtete ein Mitglied der »Vereinigung der Vietnamesinnen und Vietnamesen in Berlin«. Die Zerschlagung oppositioneller Kräfte sowie eine Arbeitslosigkeit von über 80 Prozent seien nur die deutlichsten Probleme. Nach fünf Jahren seien viele Beziehungen und Ehen in Vietnam zerbrochen. Die Lage derer, die ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland keine Arbeit fänden, aber fest entschlossen seien, nicht zurückzukehren, werde allerdings auch immer prekärer. Er appellierte an die Berliner Politiker, sich beim Bundesinnenminister für ein Bleiberecht einzusetzen, und forderte eine »schnelle politische Lösung. Daß die Zurückkehrenden in Vietnam wie »der letzte Dreck« behandelt und von ihren Landsleuten als »Teufel« bezeichnet würden, berichtete auch Dr. Quang, Mitarbeiter bei der Ausländerbeauftragten.
Bei der heutigen Regionalkonferenz der Regierungschefs der neuen Länder will das CDU-regierte Thüringen beantragen, sich in Bonn für die Umwandlung der zweckgebundenen Aufenthaltsbewilligungen in befristete Aufenthaltserlaubnisse einzusetzen. Almuth Berger kündigte an, Brandenburg werde die Initiative unterstützen. Nur so ließe sich verhindern, daß Tausende ins Asylverfahren gezwungen würden oder den Weg in die Illegalität wählten. Nach Angaben von Rechtsanwalt Zieger sind bereits jetzt 1.200 Widerspruchsverfahren gegen die geforderte Ausreise alleine in Berlin anhängig. Wenn der Weg durch die Instanzen gefochten würde, vergingen bis zum BVG-Entscheid drei bis fünf Jahre. Für viele bis dahin Abgeschobene käme auch ein positiver Bescheid allerdings zu spät.
Daß »jegliches Ansinnen, die befristeten Verträge umzuwandeln, zurückzuweisen sei«, teilte die bis auf den Abgeordneten Christian Zippel abwesende CDU (die bei einer zweiten Meldung Ziegers noch einmal demonstrativ den Raum verließ) ihrem Koalitionspartner per Presseerklärung mit. Unter den Betroffenen befinde sich auch ein »Potential von Schwarzhändlern und Schwarzarbeitern«. Daß die CDU Positionen festschreibe, die noch in der Koalition diskutiert würden, werde Konsequenzen haben, kündigte Barthel an. Wenn auf dem Rücken dieser Menschen wenige Tage vor der Bezirkswahl Wahlkampf betrieben werde, wünsche er den Verfassern, daß es ihnen so gehe »wie ihren Kollegen in Baden-Württemberg«.
Sowohl die SPD, Bündnis 90/ Grüne, PDS als auch der CDU-Abgeordnete Zippel begrüßten im Ausländerausschuß ausdrücklich die Initiative Thüringens. »Wenn ein CDU-regiertes Land so etwas zustande bringt, sollte es unter Rot- Schwarz doch auch möglich sein«, mahnte Wolfgang Wieland, Sprecher von Bündnis 90/Grüne, die SPD, vor der Regionalkonferenz, an der auch Diepgen teilnehmen wird, noch ein ernstes Wort mit dem Regierenden Bürgermeister zu wechseln.
Die Zeit für die Vietnamesen wie auch für die Mosambikaner und Angolaner drängt. Die ersten Abschiebungsandrohungen sind bereits verschickt. Innenstaatssekretär Jäger zeigt sich wenig kompromißbereit. Rechtlich würden Straftäter weiterhin abgeschoben, wenn es das Ausländergesetz vorsehe. Die politische Diskussion schränke dies nicht ein. Jeannette Goddar
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