: Auf dem Papier steht das Euro-Korps bereits
Bonn (ap/taz) — Zur Beruhigung Washingtons hat die Bundesregierung unmittelbar vor dem Gipfel in der westfranzösischen Hafenstadt La Rochelle einen großen Erfolg errungen. Das von Bonn und Paris als Kern einer europäischen Armee beschlossene gemeinsame Korps soll bei einem bewaffneten Angriff auf das westliche Verteidigungsbündnis oder eines seiner Mitglieder komplett der NATO unterstellt werden. Darauf haben sich nach Angaben aus dem Bonner Verteidigungsministerium im Vorfeld des gestern Mittag begonnenen deutsch-französischen Gipfeltreffens die Verteidigungsminister beider Regierungen verständigt.
Mit dieser Formulierung in der Hand können die Bundesdeutschen gegenüber der US-Regierung nun behaupten, sie hätten die Franzosen, wenigstens ein bißchen, wieder in den militärischen Verband der Nato zurückgeholt. Ob dies allerdings ausreicht, das amerikanische Mißtrauen gegen eine „Euro-Armee“, die langfristig die Nato ablösen könnte, zu zerstreuen, darf bezweifelt werden.
Denn in der Hauptsache geht es Mitterrand und auch Kohl um etwas anderes. Das Euro-Korps soll der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in Europa im Sinne des Vertrages über die Westeuropäische Union (WEU) dienen, wobei die deutsche Seite noch den Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit eines Einsatzes deutscher Truppen macht. Diese Formulierung geht davon aus, daß die EG zukünftig Truppen zur Verfügung haben soll, die dort eingesetzt werden können, wo die Nato sich nicht tangiert sieht, oder vom Nato-Vertrag her nicht eingreifen darf. Nach Ansicht hoher deutscher Offiziere, die sich gegenüber 'dpa‘ äußerten, müssen die Europäer mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen. Das Euro-Korps könne eingesetzt werden, wenn die NATO „nicht willens und fähig ist zu handeln“. Es werde aber „alles in Abstimmung mit der NATO geschehen“. Kein deutscher Soldat werde der Zuordnung zur Allianz entzogen. Der Aufbau europäischer Sicherheitsstrukturen geschehe mit, nicht gegen die NATO. Die Entscheidung über einen Einsatz des Euro-Korps soll bei den jeweiligen Regierungen bleiben, wurde im Verteidigungsministerium erläutert. Sinn macht diese Planung aber nur dann, wenn Kohl die SPD von einer Verfassungsänderung überzeugt, die dann auch einen Kampfeinsatz der Bundeswehr außerhalb des Nato- Vertragsgebietes erlaubt. Generell soll das Euro-Korps der militärische Arm der WEU werden und für Aufgaben bereitstehen, zu deren Wahrnehmung die NATO rechtlich oder faktisch nicht in der Lage oder nicht willens ist. Damit, so wird im Bonner Verteidigungsministerium betont, werde ein differenziertes Instrumentarium zur Bewältigung von Krisen in Europa geschaffen.
Der Aufstellungsstab soll am 1.Juli in Straßburg seine Arbeit aufnehmen. Einsatzbereit soll das Euro- Korps ab 1994 sein. Wie es heißt, haben bereits weitere Staaten (Spanien, Belgien, Luxemburg) Interesse an einer Mitwirkung signalisiert. Details wie die Stärke des Korps und den Charakter der Truppenteile müssen noch vereinbart werden. Generell ist aber nach Bonner Informationen daran gedacht, einen gemeinsamen Stab und gemeinsame Unterstützungsstrukturen zu schaffen, die einzelnen Verbände und Einheiten aber in Friedenszeiten der jeweiligen nationalen Armee zugeordnet zu lassen. J.G.
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