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Auf dem Parteitag des Geldes

Bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank thronen Vorstand und Aufsichtsrat über der Aktionärsbasis/ 90-Prozent-Zustimmung ist sicher: Der Vorstand stimmt über sich selbst ab  ■ Von Hermannus Pfeiffer

München (taz) — Es heißt Abschied nehmen für die Deutsche Bank, versprach Vorstandssprecher Hilmar Kopper. Die gestrige Hauptversammlung in München war die letzte als „deutsche Großbank; ab 1993 ist die Deutsche Bank mit der Vollendung des Binnenmarktes auch eine Europa-Bank“. In die neue Runde startet man mit einem neuerlichen Rekordjahr im Rücken. „Der Volumenzuwachs übertraf alle vergleichbaren Steigerungen in früheren Jahren“, betonte Kopper.

Das laufende Geschäft des größten deutschen Kreditinstitutes erreichte zum Jahreswechsel knapp 450 Milliarden Mark. Damit wuchs die Bilanzsumme innerhalb von zwölf Monaten um 49 Milliarden DM oder gut zwölf Prozent. Vor zehn Jahren hatten sich die Bankiers mit weniger als der Hälfte dieses Volumens begnügt. Damit bewegen die die Frankfurter mehr Geld, als Bundesfinanzminister Theo Waigel im Bundeshaushalt verwaltet. Die Mehrzahl aller Staaten wäre über ein ähnlich hohes Bruttosozialprodukt hoch erfreut — womit wir allerdings Äpfel mit Birnen vergleichen.

Hilmar Kopper hielt gestern für die Bundesregierung den Rat bereit, die Republik solle sich „nicht den Luxus eines Stimmungstiefs leisten“. In der internationalen Wirtschaftspolitik sieht Kopper die Gefahr, daß die Politik wieder zum „Stop and Go“ der 70er Jahre zurückkehrt. Dieses Handeln entspringe einem falschen Verständnis, das die Politik sich von der Ökonomie gebildet habe: „Alles ist machbar.“

Zusätzlich zum eigenen Geschäft war 1991 für die Deutsche Bank noch die provisionsträchtige Verwaltung von 151 Milliarden DM aus fremden Vermögen machbar. Auch das illustriert deren ökonomische Ausnahmestellung. Und diese zahlt sich aus: Das gesamte Betriebsergebnis des Konzerns — der Überschuß aus dem laufenden Geschäft einschließlich Eigenhandel — stieg um 16,5 Prozent auf 5,972 Milliarden DM. Maßhalten gilt nun einmal vornehmlich als Parole für die abhängig Beschäftigten. Der öffentlich ausgewiesene Gewinn (Jahresüberschuß) schnellte um nahezu ein Drittel auf die Rekordmarke von 1,410 Milliarden DM hoch. Nehmen scheint seliger denn geben.

Jahr für Jahr thront der Vorstand als Herrenrunde plus eine Frau auf dem Podium eines großen Saales in jeweils einer anderen Stadt. Im Hintergrund vervollständigt der Aufsichtsrat, ehemalige Bankiers und engste Freunde, darunter der skandalbewährte Friedrich Karl Flick, den smarten Charme eines Parteitages. Immerhin zeigt die internationale Expansion der Deutschen Bank — nach dem Erwerb der englischen Morgan Grenfell Group rückte bereits deren Chairman in den Frankfurter Vorstand — auch im Aufsichtsrat Wirkung. Als neue Freunde konnten gestern in München der Präsident der Industrial Bank of Japan und der Vize-Chef von British Petroleum erstmals begrüßt werden.

Stichwort BP: Einen Knotenpunkt der Mineralölindustrie bildet der Hamburger Beirat der Deutschen Bank. Wenigstens zweimal im Jahr tafeln im Anschluß an die Beiratssitzung die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen BP, von Mobil Oil, Shell und DEA traulich zusammen. Eine winzige Strebe aus dem personellen Netzwerk von mehr als 700 VIPs in Aufsichtsrat und Beiräten der Großbank. Insgesamt konnten „in dem international stark umworbenen Geschäft mit Großunternehmen bestehende Geschäftsverbindungen intensiviert und neue Kunden gewonnen“ werden, nennt der Geschäftsbericht einen Grund für die gestärkte weltweite Position der Deutschen Bank. Für die führenden „Rating“-Institute, welche die wirtschaftliche Stärke aller internationalen Banken bewerten, gehört sie zu den drei allerersten Adressen in der Welt.

Zu Beginn der Hauptversammlung ließ sich wegen der vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen die Umweltschutzorganisation Robin Wood vom Dach des Veranstaltungszentrums Gasteig am „Seidenen Faden“ zu den AktionärInnen herab. Aufgrund der Verflechtungen mit Versorgungsunternehmen wie RWE und AKW-Produzenten wie Siemens sei die Deutsche Bank wichtigster Atomlobbyist im Lande.

Dem vorgelesenen Hauptreferat des Vorsitzenden pflegt ein Teil der Parteibasis — im Münchener Kulturzentrum Aktionäre genannt — mit langwierigen eigenen Beiträgen, Kritiken und Fragen zu folgen, auf welche nahezu unwirsch vom Podium herab eingegangen wird. Die Stunden der Claqueure, Nörgler, aber auch die mediale Chance der Opposition. Im Mittelpunkt der diesjährigen Kampagne der Kritischen Aktionäre steht die Schuldenkrise der Dritten Welt und Osteuropas. Mit einem Anteil der Auslandsfilialen an der Bilanzsumme von 29Prozent und einer steuermindernden, fast vollständigen Abschreibung der Länderrisiken (84Prozent) könnte gerade die Deutsche Bank positive Impulse setzen. Der jüngste Geschäftsbericht der Deutschen Bank läßt die Gewalt der weltweiten Schuldenproblematik ahnen, 60 Länder wurden in die Risikovorsorge aufgenommen.

Die Steuerersparnisse aller deutschen Banken durch die Rückstellungen für derartige Länderrisiken betragen nach Berechnungen des alternativen Netzwerks „Eurodad“ etwa 14 Milliarden Mark. Der kritische Aktionär Klaus Milke forderte daher von der DB-Spitze „Streichen Sie Schulden, die sie längst wertberichtigt haben.“ Kopper antwortete: „Die Schuldenkrise ist abgehandelt.“

Das „weitere Erfolgsjahr“ 1991 wurde laut Kopper von dem klassischen Zinsgeschäft „geprägt“, die Zinsmarge stieg auf 2,41 Prozent. Im Vergleich zur Konkurrenz profitiert die Bank aber zusätzlich von ihren Erträgen aus den diversen Beteiligungen, wie an Daimler-Benz, Karstadt und Horten, der Bavaria Film und dem Bau-Multi Philip Holzmann. Insgesamt verdiente die Bank im vergangenen Jahr annähernd so viel wie alle vier anderen Großbanken — zählen wir zu Ehren der Bayerischen Landeshauptstadt auch die zwei dort ansässigen Institute dazu — gemeinsam.

Scheinbar gelangweilt sitzt die Parteitagsriege die zäh verstreichende Zeit bis zu den Abstimmungen über die Verwendung des Bilanzgewinns oder die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat ab. Immerhin gehört die Deutsche Bank zu den wenigen der deutschen Spitzenunternehmen, welches die Dividende erhöht — um eine satte Mark pro Aktie. Die Anstimmungsergebnisse — irgendwo in den Neunziger- Prozenten — stehen ohnehin bis auf ein Zehntel fest, stimmt doch der Vorstand dank Vollmachtsstimmrecht seiner Depotkunden faktisch selber über sein eigenes Schicksal ab. Ohnehin waren wie immer keine 2.000 der über 300.000 Aktionäre zur Hauptversammlung der Deutschen Bank erschienen. Wozu hätten sie auch kommen sollen?

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