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Meuterei bei Privatfunk ffn

Widerstand gegen Absetzung der Sendung „Frühstyxradio“  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Eine kleine Solidaritätsbewegung geht durch Nordwestdeutschland. Am vergangenen Sonntag, als bei dem Privatsender Radio ffn das Frühstyxradio angekündigt wurde, dann aber anstelle der beliebten Comedy-Sendung mit den „Arschkrampen“ nur seichte Musik kam, da standen 50 Fans der drastisch-fäkaliengesättigten Sprachwitze vor der Tür des Senders und demonstrierten. An die 300 Protestanrufe soll der Sender an jenem Sonntag erhalten haben, im Stadtmagazin 'Bremer Blatt‘ wird im Juni-Heft eine Anzeige erscheinen, die zu Briefprotesten an den Sender aufruft.

„Die trotzige Überzeichnung des schlechten Geschmacks gehörte zu den besseren Seiten des Privatfunks“, schrieb eine ehemalige Mitarbeiterin von ffn, „jeder anständige Rundfunkrat hätte sich in die Hose geschissen bei dieser fulminanten Ansammlung von Verbalinjurien.“ Die Comedy-Abteilung, zu der die „Arschkrampen“ genauso gehörten wie „Der kleine Tierfreund“ oder „Günter, der Treckerfahrer“, hatte dem Privatsender die Note von etwas Besonderem gegeben.

Gerade darin aber hatte der neue, um Glätte bemühte Programmdirektor Peter Bartsch (31) offenbar ein werbewirtschaftliches Problem gesehen. Zunächst verlangte er, daß jede Sendung ihm vorher vorgelegt würde, Mitte Mai setzte er die Arbeit der Comedy-Redaktion schlicht ab. Gleichzeitig untersagte Bartsch es den Redakteuren und Moderatoren, „über den Sender kommentierend oder in anderer Form über das Aussetzen der Sendung zu berichten“.

Mit dieser Maßnahme treibt die Auseinandersetzung zwischen der ffn-Redaktion und ihrem Programmdirektor einem neuen Höhepunkt zu. Schon als Bartsch, der in dem Münchener Schlagerradio „Arabella“ gelernt hat, ohne Rückfrage bei der Redaktion von den ffn-Verlegern als neuer Chef eingesetzt wurde, warnte der Sender in seinem Verkehrsfunk vor einem „Geisterfahrer, der aus südlicher Richtung entgegenkommt.“

Im Februar wollte Bartsch in einer Hausmitteilung den Mitarbeitern jegliche Äußerung gegenüber der Presse verbieten, der Betriebsratschef Wilfried Bartz bekam eine Abmahnung, weil er sich über interne Vorgänge öffentlich geäußert hatte.

Doch weil dieser führungsstil rechtlich nicht tragbar war, mußte der Direktor den Maulkorberlaß öffentlich zurücknehmen. „Schwitzendes Riesenbaby“ ist einer der Kosenamen, die in der Redaktion über den Chef kursieren. In einer vertraulichen schriftlichen Abstimmung sprachen 52 von 53 Redaktionsmitgliedern ihrem Programmdirektor die „fachliche und menschliche Führungskompetenz“ ab.

Nach dem Verbot der sonntäglichen Frühstyxradio-Sendung der Comedy-Redaktion hat der Betriebsrat es übernommen, die Stimmung der Redaktion nach außen zu tragen, und Peter Bartsch vorgeworfen, seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein.

„Die im Hause immer lauter geäußerten Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz konnte Bartsch auch bei einer außerordentlichen Betriebsversammlung nicht ausräumen“, teilte der Betriebsrat unter dem ffn- Briefkopf der Presse mit: „Eine kürzlich erst ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichtes, nach der Personalentscheidungen überhaupt erst nach eingehenden Erörterungen mit dem Betriebsrat weiterverfolgt werden dürfen, scheint Bartsch nicht zu interessieren.“ Bartsch übe Zensur aus und streiche „bei Hörern beliebte Serien und Sendungen“, schreibt der Betriebsrat, Auch sei die konzeptionelle Verunsicherung der Redaktion „pure Geldverschwendung“. Bartsch zerstöre damit „die Grundlage“ des Senders, nämlich das kreative Potential der Mitarbeiter. Und: „Wir befürchten durch die weitere Tätigkeit Bartschs in der bisherigen Form weiteren Hörerschwund“ und damit „weitere Einnahmeverluste“ auf dem Werbemarkt.

Der Programmdirektor begann gleichzeitig, Elemente seiner Programmreform durchzusetzen: Zweimal pro halbe Stunde sollen simple Eigenwerbungsspots „Das Radio für Norddeutschland — Radio ffn“ ausgestrahlt werden, die Gesamtzahl der verfügbaren Musiktitel wurde von 1.600 auf 800 reduziert, das neue Computerprogramm soll fünf aktuelle Hits täglich fünfmal auf die „playlist“ setzen.

Das Wortprogramm und die Regionalredaktionen von Radio ffn waren schon in der letzten Reform Ende 1991 zusammengestrichen worden. Zusammen mit Radio Schleswig- Holstein (RSH) und Radio Hamburg ist geplant, die Nachrichtensendungen „gleichzuschalten“ — was von den Landesmedienanstalten noch genehmigt werden müßte. Die Nachrichten kämen dann aus Hamburg, meint ffn-Geschäftsführer Drossart. Das Nachtprogramm von ffn wird schon gemeinsam mit Radio Hamburg produziert.

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