Krücken für die Pflegeversicherung

Zwar deutet vieles auf eine Durchsetzung des Blüm-Modells hin — aber letztendlich werden die Arbeitnehmer und Kranken alleine die Rechnung bezahlen müssen  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Am Schluß wird Arbeitsminister Blüm die Pflegeversicherung als fünftes Bein im Sozialstaat durchgesetzt haben — die Frage aber ist, wieviele andere Beine dann hinken. Bei der gestrigen Anhörung vor dem Bundestagssozialausschuß standen die Arbeitgeberverbände mit ihrer Ablehnung eines SPD-Gesetzentwurfs, der sich im Grundsatz an Blüms Vorschlag anlehnt, weitgehend alleine da. Sie plädieren nach wie vor für eine private Pflichtversicherung, die die Arbeitgeber keine müde Mark kosten würde. Ein breites Bündnis von den Gewerkschaften über die Sozialverbände, Ärzteorganisationen und Krankenkassen aber will eine Sozialversicherung, die gleichermaßen von Arbeitnehmern und -gebern finanziert wird.

Auch die FDP sieht langsam ein, daß kein Weg am Blüm-Modell vorbeigeht, will sie die zerrüttete Koalition nicht noch weiter schwächen — denn die Regierung hatte immer wieder vollmundig angekündigt, im Sommer sei die Pflegeversicherung beschlußreif. Aber die Liberalen haben für ihre Klientel die Zusicherung herausgehandelt, daß die Belastungen für die Wirtschaft nicht steigen dürfen — und das heißt: im Endeffekt werden die Arbeitnehmer und Kranken zur Kasse gebeten.

„Mehrere Möglichkeiten für eine Kompensation sind denkbar“, meint der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales von der CDU/ CSU-Fraktion Julius Louven. Möglich sei beispielsweise die Streichung eines Feiertags. Von staatlicher Seite käme da nur der 3.Oktober in Frage, dessen Anlaß man ja auch am Sonntag danach gedenken könnte. „So töricht, den 1.Mai streichen zu wollen, wären wir nicht“, versichert der Konditormeister. Aber auch mit den Kirchen könne man verhandeln, ob sie ihre Schäfchen nicht zum Beispiel an Pfingstmontag statt in die Kirche zur Werkbank schicken. Auch bei Kranken- und Arbeitslosenversicherung sieht Louven noch Einsparmöglichkeiten. Denkbar sei die Streichung von Sprachkursen für Aussiedler und der Abbau von Krankenhausbetten.

Julius Louven hat vor einigen Monaten einen Vorschlag ausgearbeitet, der das Blüm-Modell mit dem FDP- Vorschlag vermischt und jetzt von der FDP wieder aus der Schublade gezogen wird: alle jetzt schon Berufstätigen sollen in eine Pflegesozialversicherung einzahlen, wer neu ins Arbeitsleben eintritt muß eine private Pflichtversicherung abschließen. Da das Blümmodell auf einem Generationenvertrag beruht, die unteren Jahrgänge aber nicht nachwachsen, entsteht nach sieben Jahren ein Loch in der Pflegekasse. Das will Louven mit der Kriegsopferversorgung stopfen. „Aber die Leute sterben ja nach und nach weg.“