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Stählerne Muskeln vom Schrottplatz

■ Wer ein schöner Mann sein will, muß gräßlich leiden — Strengste Diät und Schuhcreme-Bräune sind für Bodybuilder Pflicht/ Von Körperharmonie überwältigt war unsere Bizepsexpertin Elke Wittich

Schöneberg. Eigentlich hätten die Teilnehmer der Berliner Amateurmeisterschaften im Bodybuilden alle einen Preis verdient, wenn schon nicht für Körperharmonie, dann wenigstens für Diätleistungen beinahe olympischen Ausmaßes. Denn Hantelstemmen, Sit-ups und Bankdrücken allein reichen nicht aus, den erwünschten Traumkörper zu modellieren.

Endrundenteilnehmer Rafael Harms von Santana Spandau beschreibt sein kulinarisches Vorbereitungsprogramm, das zwölf Wochen vor dem Wettkampf beginnt, mit „Reis, Pute, Fisch“. Zwischen 10 bis 25 Kilo nimmt man so ab, „alles eine Frage der Selbstdisziplin“, und seine Augen leuchten vor Freßgier, denn seit einer Woche gibt es nur noch Reis. Reis ohne Salz selbstverständlich, denn die durch Natrium bewirkten „Wassereinlagerungen“ machen eine dicke Haut und schwer sichtbare Adern, womit zwar wir Durchschnittsmenschen prima leben können, was für den Bodybuilder aber das Grauen schlechthin ist.

So wird der Reis mit Honig gesüßt, und am Wettkampftag ist Trinken schlicht verboten. Dann offenbaren er und seine Kameraden Männerträume: Heute abend noch bestehen sie aus einer dreifachen Familienpizza und Steak mit Pommes und Salz...

Über den Vorbereitungsräumen hängt eine süßlich duftende Sonnenölwolke, die ebenfalls Teil der Bühnenshow ist. Die gezeigten Posen wirken bei blasser Haut nämlich nicht, Muskelkonturen werden nur bei Bräune sichtbar, und obendrein macht Scheinwerferlicht blaß. So holt man sich im Solarium die „Grundbräune“, in der letzten Woche wird dann „geschmiert“, bis die Selbstbräunungscreme die Teilnehmer bei Tageslicht schokoladen- orange aussehen läßt.

Wahrscheinlich wird mit der Creme aber auch einiges zugedeckt, denn man darf weder Pickel noch sonstige Hautunreinheiten haben. Völlig fern dem richtigen Leben soll man ein „harmonisches Bild“ bieten, und damit die Kampfrichter auf der Fehlersuche nicht abgelenkt werden, sind bunte Badehosen und Schmuck streng verboten. [Das ist doch völlig pervers: Da werden noch Muskelpakete auf die ohnehin schon verkrampften Muskeln gepackt. Was Geschmeidigkeit, Schönheit und Harmonie angeht, sollen sich diese Möchtegernmachos mal Bruce Lee anschauen — d.S.]

Frauen sind nicht am Start. „Das liegt daran, daß es im Frauenbodybuilding einen Wandel hin zu mehr Feminität gibt“, erklärt Veranstalter Gerald Griffke. „Quatsch“, sagt hingegen die hier als Kampfrichterin fungierende Weltmeisterin Diana Gimmler, „wir haben Nachwuchssorgen.“ Eine Teilnehmerin aus ihrem Studio hätte zwar gute Chancen gehabt, aber „wat soll die da allein auf der Bühne, macht doch gar keinen Spaß so was“.

Und enttarnt ganz en passant noch männliche Diätlügen, „da haben einige Starter nicht natriumarm gelebt und noch bis zuletzt das Falsche gegessen...“ Begeistert ist sie allerdings von Andreas Petzold aus Thüringen, der ein „wunderschöner Athlet“ sei. In der DDR, erzählt der Finalist, hatte man als Bodybuilder so seine Schwierigkeiten, denn es gab keine Geräte. [Der DDR sei Dank — d.S.]. „Wir haben unsere Geräte selbst gebastelt, aus Schrott“, erzählt er, „wir mußten praktisch aus Scheiße Marmelade machen.“ Und auch er schaut in diesem Moment ziemlich traurig drein...

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