„Bewaffnete Aktion liegt quer“

■ RAF-Gefangene in Celle lehnen eine Versöhnung mit dem Staat ab/ Abkehr vom bewaffneten Kampf

Berlin (taz) — Der Begriff einer „Versöhnung“ zwischen Staat und Rote Armee Fraktion wird auch von den in Celle inhaftierten und zu lebenslanger Haft verurteilten RAF- Gefangenen abgelehnt. In einem ausführlichen Interview in der am Freitag erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift 'Konkret‘ erklärt unter anderem Knut Folkerts, „das Wort ,Versöhnung‘ ist völlig falsch“. Die gesellschaftlichen Widersprüche seien „antagonistisch, sie haben uns hervorgebracht und sie werden auch in Zukunft antagonistisch bleiben“. Gleichwohl erklärten die drei Gefangenen — neben Folkerts Karl-Heinz Dellwo und Lutz Taufer — nicht hinter die Entscheidung der RAF-Aktiven zurückzugehen, die mit Schreiben vom 10.April den bewaffneten Kampf eingestellt haben.

Nach den Worten Taufers hätten sich die Mitglieder der RAF Anfang der 70er Jahre als „Teilnehmer eines weltweiten Aufstands gegen das US- imperialistische Weltsystem“ verstanden — vor dem Hintergrund von Auschwitz und Vietnam sei es politisch und moralisch denkbar gewesen, „auch mit dem Versuch des bewaffneten Kampfes in den Zentren des Imperialismus, diesem Aufstand mit allen Kräften beizutreten“. Der damalige Glaube an einem „absehbaren Zusammenbruchs des US-imperialistischen Systems“ habe sich aber als falsch herausgestellt.

Nach dem Ende des Realen Sozialismus und der Auflösung der beiden bestimmenden Pole „Dritte Welt — Metropolen“ erwartet Taufer nun eine „Ära der sozialen Bewegungen“. Als Alternative gebe es nur eine „sich ausbreitende diffuse Gewalt und Destruktivität von jenen und gegen jene, die um ihr Überleben kämpfen“. Eine Stellungnahme der RAF zur Gewaltfrage „wäre dieser Eskalation gegenüber völlig gleichgültig“. Insofern sei die Erklärung der RAF auch „keine Kapitulation, es ist die konsequente Neuorientierung auf eine Situation, zu der die bewaffnete Aktion quer liegt.“

Das Schreiben der RAF und die inhaltsgleiche Erklärung der RAF- Gefangenen wenige Tage später sei auch nicht als Tribut an die Initiative des früheren Justizministers Klaus Kinkel (FDP) zu sehen, der Anfang des Jahres eine Aussöhnung und eine vorzeitige Haftentlassung einzelner Gefangener vorgeschlagen hat. Auch wenn der zeitliche Ablauf diese Interpretation „aufdränge“, sei die Erklärung ein „erstes Ergebnis einer Diskussion, die seit zwei Jahren läuft und die sich daraus ergeben hat, daß die ungeheuren Veränderungen in der Welt nach einer Neubestimmung verlangt haben.“

Im Gespräch mit 'Konkret‘-Herausgeber Gremliza, dem Ex-Grünen Ebermann und Rosita Timm, erklärte Dellwo, die Antwort des Staates auf den in Gang gekommen Diskussionsprozeß müsse „die Freiheit für alle politischen Gefangenen“ sein. In welcher Form dies geschehe, sei zweitranging. Sie müsse aber in „einem überschaubaren Zeitraum“ stattfinden.

Deutlich machten die drei Inhaftierten, daß sie nicht bereit sind, „daß wir unsere Geschichte leugnen und verwerfen“. Lutz Taufer: „Wir haben nicht 18 Jahre lang gekämpft, um dann diese Geschichte wegzuschmeißen — bei aller notwendigen Aufarbeitung und Kritik unserer Fehler.“ Karl-Heinz Dellwo: „Wenn sie das nicht hinnehmen, sehe ich keine Möglichkeit, wie es zu einer Lösung kommen soll“. Wolfgang Gast