INTERVIEW: „Wir werden keinen bewaffneten Widerstand leisten“
■ Skelzen Maliqui, Führungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei Kosovos, zum möglichen Frieden für die Albaner
taz: Warum haben die albanischen politischen Organisationen beschlossen, gerade jetzt eine eigene Wahl durchzuführen?
Skelzen Maliqui: Wenn wir jetzt an den von Belgrad ausgeschriebenen Wahlen teilnehmen würden, entstünde der Eindruck, daß wir das Jugoslawien, wie es von der serbischen und montenegrinischen Regierung beschlossen wurde, akzeptieren. Davon kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Mit unseren demokratischen Wahlen, gegen den Willen der serbischen Behörden, geben wir unserem politischen Willen Legitimität. Dabei gehen wir davon aus, daß Europa auf Serbien Druck ausüben wird. Auch deshalb ist es notwendig, eine Vertretung zu schaffen, die glaubwürdig, weil repräsentativ, ist.
Gibt es irgendwelche neuen Anzeichen dafür, daß die Albaner des Kosovo in den Verhandlungsprozeß im Ex-Jugoslawien miteinbezogen werden?
Vorige Woche war eine Delegation der EG hier in Pristina. Die hat den Eindruck vermittelt, daß bei der Brüsseler Konferenz die Kosovo-Frage eröffnet wird. Da die Grenzen von der EG als unverletzlich angesehen werden, bietet man uns einen besonderen Status an, nämlich den der Autonomie. Das wäre der gleiche Status, den die Serben in Kroatien bekommen sollen.
Was passiert aber, wenn die serbische Seite militärisch eingreift?
Wen sollten sie denn angreifen? Wir sind ja sowieso unter einer Art militärischer Verwaltung. Aber Provokationen können natürlich auch inszeniert werden. In Sarajevo wurde ein Serbe bei einem Hochzeitsfest umgebracht, und das war dann der Anlaß zum Krieg. Wir werden jedenfalls keinen Widerstand leisten, und Serbien hat, denke ich, weder die Kraft noch das Interesse, einen derartigen Kampf zu führen.
Sie sind als Vizevorsitzender des Sozialdemokratischen Partei selbst bei der Wahl aufgetreten.
Wir haben einen Block aus fünf Parteien gebildet, die demokratische Perspektive für Kosovo. Mit unseren sozialdemokratischen Vorstellungen allein können wir unter den gegebenen Bedingungen nichts erreichen, erst einmal muß die Frage des Status von Kosovo geklärt werden. Die nationalistischen kosovo-albanischen Parteien haben totalitäre Tendenzen, denen wir als Bündnis entgegentreten wollen.
Im März kam es aber zu Diskussionen mit Oppositionsparteien im damaligen Restjugoslawien.
Schon am 8. Januar hatten wir direkte Gespräche mit der Opposition, an denen auch Vuk Drasković teilgenommen hat. In Sarajevo fand ein mehr oder weniger unverbindliches Gespräch statt. Wir dachten, es gäbe einen Durchbruch bei den Gesprächen mit der serbischen Opposition. Wir, dazu gehört auch Veton Surroi, wollten zeigen, daß wir in Kosovo eine Opposition darstellen. Das Resultat: Wir wurden von den albanischen Nationalisten als Verräter tituliert, als wären wir mit den Serben in eine Koalition eingetreten. Es zeigte sich aber, daß wir mit unserer Gesprächsbereitschaft den Vorurteilen, Albaner wollten nicht verhandeln, entgegentreten konnten. Auf seiten der serbischen Opposition gibt es sogar schon Vorstellungen, Kosovo im Rahmen der Bundesrepublik Jugoslawien einen Republikstatus zu verleihen.
Allerdings ist da eine andere Schwierigkeit aufgetaucht. Teile der serbischen Opposition wollten mit den serbischen Nationalisten gegen Milosević antreten. Deshalb mußten wir die Gespräche mit ihnen unterbrechen. Auch Vuk Drasković ist unzuverlässig, und die „Demokratische Partei“ hat eine relativ harte Haltung eingenommen. Ihr Führer Micunović will u.a. die Militärverwaltung fest installieren. Serbien hat jedoch militärisch verloren und steht vor einem ökonomischen Kollaps. Außerdem hat Serbien sich noch nicht von dem postkommunistischen System gelöst.
Die Serben befinden sich zudem in einem Widerspruch: Einerseits kämpfen sie für die Rechte der Serben in Bosnien. Andererseits können sie aber diese Rechte nicht für sich in Anspruch nehmen, ohne sie auch den anderen Nationen zuzugestehen.
Wie kann nach all den Verbrechen überhaupt noch ein Frieden erreicht werden, geschweige denn ein Leben in ethnisch gemischten Staaten?
Mit dem Austausch der Bevölkerung und der Schaffung ethnischer Kantone ist etwas irreversibel geworden.
Heißt das nicht auch, daß die Veränderungen der Grenzen als Möglichkeit für einen Frieden gedacht werden müssen?
Dies kann nur in einem langsamen Prozeß der Verhandlungen vor sich gehen. Ich denke, wenn es noch zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen sollte, dann wird dies erst später sein. Dann kann sich auch Albanien nicht raushalten. Serbien hätte den Krieg viel früher beginnen müssen, jetzt ist es zu spät.
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