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Panslawismus gegen Panislamismus

Moskau-Visite des türkischen Premiers wird zu einer Herausforderung für die Diplomatie/ Verlängerung der türkisch-sowjetischen Handelsbeziehungen/ Demirel will „Stabilität“  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Als Gastgeschenk seiner Staatsvisite brachte Premier Suleiman Demirel eine Ladung medizinischer Präparate und Gerätschaften mit nach Moskau. Das gab der karitative „Rote Halbmond“ am Vorabend der Gespräche mit Rußlands Präsident Jelzin bekannt. Eine sinnvolle Hilfe— zweifelsohne. Überdies eine gutgemeinte Geste des nicht gerade vor eigener Gesundheit strotzenden „Mannes am Bosporus“. Dennoch wohnt dieser Aktion etwas Ambivalentes inne. Immer dann — in der von gegenseitigem Mißtrauen und Vertragsbrüchen gekennzeichneten Geschichte der türkisch-russischen Beziehungen — wenn es der einen Seite schlecht ging, nutzte es die andere schamlos, um selbst zu genesen. Der Interessenkonflikt reichte von Mittelasien über die Schwarzmeerregion bis auf den Balkan.

Der Zerfall der Sowjetunion hat die Türkei unerwartet schnell zu einem Machtfaktor im ehemaligen russischen Imperium werden lassen. Und so zwingt der Konflikt zwischen den transkaukasischen Staaten Aserbaidschan und Armenien Rußland und die Türkei, sich mit einem Thema zu befassen, das die diplomatischen Beziehungen der letzten Jahre weitgehend ausgeklammert hatten. Man wollte gerade durch die Ausweitung wirtschaftlicher Kooperation zu normalen Verhältnissen übergehen. Die türkische Seite war in den letzten drei Jahren in der alten UdSSR sehr aktiv geworden. Zahlreiche Firmen wirken in Rußland. Wegen des niedrigen Lohns arbeiten sie für die Russen günstiger und liefern doch annähernd westlichen Standard. Demirels Absicht, diese Politik fortzusetzen, dokumentiert der riesige Troß an Wirtschaftsvertretern, den er mit an die Moskwa gebracht hat. Moskau gibt sich ebenfalls den Anschein, als bestünde kein Anlaß zur Besorgnis. Eilfertig bemühten sich die Diplomaten, allen Bedenken einer Verschärfung der Lage entgegenzutreten. Doch die althergebrachte Konkurrenz um Mittelasien läßt sich nicht so einfach überspielen. Denn die Bedeutung dieses Raumes ist auch innerhalb des eigenen Korps umstritten. Jenen, die Rußland eine Brückenfunktion zwischen Europa und Asien zuschreiben möchten, und denen, die endgültig nach Europa aufbrechen wollen.

Scharfe Töne klangen während der Visite nicht an. Doch aufhorchen ließen die Worte des russischen Botschafters in Ankara, der vor Pantürkismus und Panislamismus warnte und die Türkei zur Kooperation in diesem Gebiet aufforderte, vorausgesetzt sie sei bereit, die historischen Bindungen der Regionen an Moskau zu akzeptieren. Demirel verneinte, daß Aserbaidschan die Türkei um militärische Hilfe gebeten hätte. Mit den Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres, ein besonders sensibles Kapitel für die Russen, wolle Ankara eine Region der Stabilität schaffen. „Wir werden nicht nur in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten zusammenarbeiten, sondern auch den Weltfrieden stärken“, sagte Demirel vor Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages. Insgesamt sollen zwölf Abkommen, die im Großteil schon mit der UdSSR bestanden und nun verlängert werden mußten, unterschrieben werden. Demirel trat damit nach außen den nationalistischen Strömungen zu Hause entgegen. Doch dürfte Moskau nicht entgangen sein, daß Demirel nicht allzu fest im Sattel sitzt, daher gilt es, einen Fuß zwischen die ottomanische Pforte zu halten.

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