Lebenszeichen vom Maxim Gorki Theater

»Sie haben mich zweimal getestet, weil sie das erste Mal ganz sprachlos waren. Und beide Male mit demselben Ergebnis. Bis auf die Stellen hinter dem Komma, haben sie gesagt. ‘Wie war ich?‚ habe ich gefragt, und sie guckten mich total verblüfft an und sagten: ‘Miss Latonia, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß es eindeutig und endgültig ist: Sie haben keine Persönlichkeit.‚ Und so ist es.« Freundlich lächelnd steht Ruth Reinecke vor ihrem Publikum und verkörpert ihre wissenschaftlich attestierte Nichtexistenz mit erstaunlicher Präsenz. »Keine Persönlichkeit« ist einer von achtundfünfzig szenischen Monologen der amerikanischen Autorin Jane Martin, die unter dem Titel »Lebenszeichen« ganz verschiedene Frauenansichten — keine Frauenschicksale — vorstellt. Eine Auswahl der von Ursula Grützmacher-Tabori übersetzten Monologe ist zur Zeit in der Studiobühne des Maxim Gorki Theaters zu sehen. Unter der Regie von Carl-Hermann Risse zeigt das Darstellerinnen-Quintett Bibiana Fuchs, Monika Hetterle, Ruth Reinecke, Nadia Reichardt und Ursula Werner nicht nur ganz unterschiedliche Charaktere — von der Putzfrau mit dem Lottogewinn bis zur sarkastischen Obdachlosen —, auch die Intensität der Darstellungen schwankt leider erstaunlich. Jede der fünf Schauspielerinnen hat mindestens einen groß(artig)en Auftritt, bei dem sie zeigen kann, was in den mal komischen, mal ironischen, mal zynischen, mal grotesken Szenen steckt. Schon der nächste Auftritt kann aber ein ohne Herzblut gesprochener Monolog sein, der weit hinter der vorgegebenen Textqualität zurückbleibt. Einige der kleinen Geschichten wirken wie gar nicht inszeniert, als hätte der Zugang zum Inhalt oder die Zeit zum Inszenieren am Ende gefehlt. Trotz dieser Mängel ist »Lebenszeichen« aber kein verlorener Abend: Die Bekanntschaft mit dem Humor und der bissigen Weltsicht der geheimnisumwitterten Jane Martin (das Pseudonym ist immer noch nicht enttarnt worden) lohnt den Weg ins Maxim Gorki allemal. kl/Foto: Barbara Köppe

Am 31.5. um 20 Uhr in der Studiobühne des Maxim Gorki Theaters