: Griechische Nationalismen im Berliner Kabelkanal
■ Im Streit um den Leiter einer griechisch-deutschen Fernsehsendung, Emmanuel Sarides, spiegelt sich in Berlin ein griechischer Nationalitätenkonflikt wider/ Sarides vermutet »Kampagne« der Griechisch Demokratischen Gemeinde (GDG) gegen seine Sendung »Kalimera«/ GDG weist Vorwürfe zurück
Berlin. Griechen gegen Griechen? Unter Berliner Griechen spitzt sich ein seit Monaten schwelender Konflikt immer weiter zu. Mittels einer Kampagne solle seine griechisch- deutsche Fernsehsendung im Mischkanal des Berliner Kabelrats zerstört werden, behauptet der Soziologe Emmanuel Sarides. Systematisch würden Gerüchte verbreitet, daß er ein Landesverräter sei oder im Auftrag fremder Mächte arbeite. Diese Vorwürfe ziehen in Berlin inzwischen unter Griechen ihre Kreise. Der Streit zwischen Sarides und einigen Protagonisten dieser Kampagne flammte vor rund einem Monat verstärkt wieder auf. Es geht dabei um verletzten Nationalstolz und die Unfähigkeit der Beteiligten, ihre Positionen wieder anzunähern.
Emmanuel Sarides organisiert die Sendung Kalimera mit einer Handvoll Mitarbeitern seit zweieinhalb Jahren in Eigenregie. Einmal wöchentlich wird sie über den Mischkanal ausgestrahlt und finanziert sich allein aus Werbeeinnahmen von griechischen Geschäftsleuten. Ursprünglich bestand eine Absprache zwischen Sarides und Miltiadis Terzopoulos, dem Vorsitzenden der Griechisch Demokratischen Gemeinde (GDG), und dem griechischen Verein der Epiroten, die Sendung zusammen mit der GDG aufzuziehen.
Die Gemeinde habe sich dann jedoch »wegen des Buches« gegen eine Zusammenarbeit ausgesprochen, erklärte deren Vorsitzender. Mit dem »Buch« ist die Dissertation Sarides' gemeint, mit der er sich nach ihrer Fertigstellung 1979 ins Kreuzfeuer der Kritik manövrierte. Sarides These, die Griechen seien nicht rein griechisch, sondern ethnisch durchmischt, verletzte viele seiner Landsleute in ihrer Ehre und in ihrem Nationalstolz.
Inzwischen löst eine Anschuldigung die nächste ab, Drohungen werden ausgesprochen, die Streithähne schwärzen sich gegenseitig an. Die Inhalte sind lächerlich und gehen so weit, daß Emmanuel Sarides bereits Schläge angedroht wurden. Als Drahtzieher der »Kampagne« gegen ihn vermutet er neben Einzelpersonen (ein inkognito arbeitender Journalist verbreitet beispielsweise Flugblätter gegen ihn), auch den Vorsitzenden der GDG. Die Gemeinde plant, ab September eine eigene Sendung über den Mischkanal auszustrahlen. Sarides fürchtet zwar nicht die qualitative Konkurrenz durch eine zweite griechische Fernsehsendung, aber die möglichen Kündigungen von Werbeverträgen seitens negativ beeinflußter griechischer Geschäftsleute. Ohne die Werbeeinnahmen könnte Kalimera nicht überleben.
Kiriakos Chaitidis, griechischer Geschäftsmann, ist einer derer, die sich durch Sarides' Dissertation in ihrem Stolz verletzt fühlten. Er und auch Terzopoulos fordern, daß er seine Arbeit widerrufe. Das findet Hartwig Berger, Privatdozent für Soziologie und damaliger Gutachter der Dissertation, skandalös. »Die Arbeit ist mit ‘magna cum laude‚ bewertet worden«, so Berger. Sarides habe seine These mit sehr interessanten und überzeugenden Belegen bekräftigt. Er betrachtet das Verhalten von Terzopoulos und Chaitidis als eine extreme Verengung des Denkens durch bornierten Nationalismus.
Die gegenseitigen Anschuldigungen erscheinen vordergründig als Grabenkampf zwischen Griechen, haben aber einen tieferen Hintergrund, der sich in Berlin im Kleinen widerspiegelt. »Hier wird an einer Person ein Konflikt festgemacht, der eigentlich im Land selbst ausgetragen werden müßte«, erklärte ein Berliner Soziologe. Die Griechen litten unter der Frage ihrer nationalen Identität. »Ihre Ungewißheit, von wem sie abstammen, führt zur Ausgrenzung all dener, die einer kultur- rassischen Ideologie nicht aufsitzen«, so der Soziologe. Die Geschichte müßte kritisch aufgearbeitet werden und die Emanzipation von der staatstragenden Philosophie, die sich in erster Linie aus der Antike herleitet, stattfinden.
Hinzu kommt, daß sich aufkommende Nationalismen in Griechenland an der Frage um die Anerkennung des jugoslawischen Mazedonien entzünden. In Berlin wird Sarides vorgeworfen, er sei ein Agent Skopjes, der Hauptstadt Mazedoniens. Eine schwerwiegende Anschuldigung bei den derzeitigen Spannungen zwischen Athen und Skopje, wie Sarides erklärt. Einige Griechen nehmen ihm übel, daß er einen »Verein für interkulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit« gegründet hat, in dem neben ihm auch ein Jugoslawe dem Vorstand angehört. Ein griechischer Geschäftsmann erklärte, daß er niemals mit dem »Feind« zusammenarbeiten würde.
Sarides möchte die Anfeindungen gegen ihn beendet sehen. Terzopoulos erklärte auf Anfrage, daß er nicht versuche, Sarides Sendung kaputtzumachen und schob die Vorwürfe zurück. Sarides selber habe den Streit begonnen, als er die GDG beim Senator für Kulturelles angeschwärzt und dort behauptet habe, die Gemeinde würde Gelder zweckentfremden. Deswegen will Terzopoulos jetzt gegen Sarides klagen. Auch Sarides hat seine Anwältin schon zu Rate gezogen. Er will sich gerichtlich gegen die Anschuldigungen wehren, er sei ein Landesverräter. Sarides vermutet, daß diese Behauptung ihm Schwierigkeiten bei der Einreise nach Griechenland bereiten könnte. Susanne Landwehr
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