: Tropenholz wird fast nur im Raubbau geschlagen
Boykott als wichtiges Instrument gegen die internationalen Holzhändler/ Die Länder brauchen eine nachhaltige Waldwirtschaft ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Rio de Janeiro (taz) — „Die Stämme, die zu weit von den Transportwegen entfernt sind, holen wir mit Hubschraubern aus dem Wald.“ Curt Geldenhuys erntet ungläubiges Erstaunen, wenn er vom Waldmanagement in Südafrika berichtet. 5.000 Rand pro Kubikmeter Festholz würde der südafrikanische Staat zum Teil erlösen — aber der Staat würde das Holzen auch selbst übernehmen, sagt der Bure auf der Internationalen Regenwaldkonferenz in Rio. Nicht ohne Stolz verweist er auf eine Reihe schwarzafrikanischer Länder, die jetzt von Südafrikas Wiederaufforstungsprogrammen lernen wollen.
Geldenhuys, ausgewiesen als jemand, der so etwas wie nachhaltige (sustainable) Waldwirtschaft betreibt, läßt sich vom inflationären Gebrauch des Wortes „sustainable“ bei den internationalen Holzhändlern nicht täuschen. „Die großen internationalen Holzhändler wird man an der Regenwaldzerstörung ohne Boykott kaum hindern können“, so Geldenhuys. Entwicklungschancen in den Ländern würden dagegen durch den Boykott kaum vermasselt. „Es sind ja nicht die Menschen vor Ort, es ist das big business, das in die Waldgebiete kommt, und sie nach allen Regeln zerstört.“ Gegen diese Konzerne müsse eine wirklich nachhaltige Waldwirtschaft erzwungen werden, „und da sind Boykotts eine wirkungsvolle Maßnahme.“ Der Boykott ist aber nur ein Hilfsmittel. Einfache Auswege gibt es nicht, darin ist sich Geldenhuys auch mit Robert Bushbacker vom World Wide Fund for Nature (WWF) einig. Der Umweltlobbyist Bushbacker attackierte in Rio vor allem die International Timber Trade Organisation (ITTO), den Zusammenschluß der großen holzexportierenden und importierenden Länder. „Die denken nach wie vor nur ans Geschäft, dabei brauchen wir dringend ein Konzept für die Bewahrung der Wälder.“
Bushbacker verlangt, so schnell wie möglich nach dem Umweltgipfel in Rio doch noch zu einer Wälderkonvention zu kommen. Die einzelnen Staaten, so Bushbacker, müßten Waldnutzungspläne entwickeln und ihre besonders wertvollen Forste kennzeichnen und schützen. Das gelte im übrigen auch für den Norden. Gerade die Länder des Südens müßten den Kapitalbedarf deutlich machen und eine Politik für die Wälder mit den Menschen vor Ort einleiten. „Finanzielle Hilfen sind unbedingt notwendig, um diesen Staaten den Sprung vom massiven Abholzen und billigen Preisen zur nachhaltigen Waldwirtschaft mit entsprechend höheren Holzpreisen zu ermöglichen.“ Bushbacker zum derzeitigen Zustand: „Nur 0,1 Prozent des Tropenholzes kommt aus nachhaltigem Anbau. Das sind die Zahlen der ITTO selbst.“ J. Aggerey-Orleans vom ITTO-Hauptquartier in Tokio verteidigt seine Organisation mit dem Hinweis, daß inzwischen immerhin 70 Prozent der ITTO-Gelder für Wiederaufforstung und dauerhafte Forstwirtschaft ausgegeben würden. International bindende Verträge brauche es daher nicht.
Wohin die Protagonisten des freien Holzhandels in der ITTO ein Land führen, zeigte Marc Warren in Rio eindrucksvoll am Beispiel der Elfenbeinküste. Das Land hat nach Angaben des holländischen Wissenschaftlers die höchste Entwaldungsrate in der Welt. Von 50,5 Millionen Hektar Regenwald zur Jahrhundertwende sind dank Motorsägen-Laissez-Faire heute noch rund 1,5 Millionen Hektar primärer Urwald übrig. Und die Zerstörung geht weiter: „Machen wir uns nichts vor, es gibt keine Tropenholzproduktion im wirklichen tropischen Urwald.“
Auch für Warren geht deswegen an einer richtigen Waldwirtschaft in den Tropen kein Weg vorbei. Der Nachbarstaat Ghana versuche seit einigen Jahren die Anfänge kontrollierter Waldwirtschaft. Nach einer ersten Bestandsaufnahme senkte Ghana den Einschlag von Tropenholz drastisch und legte fest, daß ein Fünftel der Regenwaldzone im Land tatsächlich Regenwald bleiben soll, fünf Prozent sogar als streng geschütztes Reservat. Doch das Experiment droht zu scheitern. „Es braucht jede Menge Kontrollen. Die numerieren und kennzeichnen die Bäume beim Schlagen. Auch der Transport wird überwacht. Ein solches System ist aber sehr teuer.“ Warren beobachtet mit Sorge, wie die Holzfäller einfach nach Zaire zum Kleptokraten Mobutu wechseln. Dort können sie unkontrolliert weitersägen.
Warren, Geldenhuys und Bushbacker sind sich in der Analyse einig. Der Markt allein wird‘s nicht machen. Die Experten setzen auf Kontrollen, eine Kennzeichnungspflicht und auf den Verbraucher. „Die Konsumenten sind an den ökologischen und sozialen Folgen ihres Verbrauchs durchaus interessiert. Einen entsprechenden Mechanismus müssen wir etablieren“, so Bushbacker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen