Generalstreik ohne Enthusiasmus

Spaniens Arbeitnehmer protestieren ohne große Hoffnung gegen Einsparungen beim Arbeitslosengeld und neues Streikrecht/ Madrid lag gestern vormittag weitgehend lahm/ Polizei besetzte Stadtzentrum  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Blauweiß präsentierte sich am gestrigen Donnerstag vormittag die Puerta del Sol. „Policia“ stand auf den Kleinbussen, die den Platz im Herzen von Madrid besetzt hielten, davor wachte die Besatzung in Zweierreihen, den Knüppel in der Hand, über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Einen halbtägigen Generalstreik hatten die beiden großen Gewerkschaften CCOO und UGT ausgerufen, und die sozialistische Regierung hatte eine Ehrensache daraus gemacht, das „Recht der Arbeitnehmer zu arbeiten“ zu schützen. Um zu verhindern, daß wie beim Generalstreik im Dezember 1988 die Madrider Innenstadt völlig ausgestorben daliege, hatten die Behörden „Minimaldienstleistungen“ im öffentlichen Verkehr von 40 Prozent des Normalbetriebs verordnet.

Das massive Polizeiaufgebot zur Unterstützung der Streikbrecher (sowie die Festnahme von etwa 30 Streikposten im ganzen Land) konnte freilich nicht verhindern, daß die Gitter vor den meisten Läden unten blieben, die Pforten der meisten Banken verschlossen waren und die wenigen Busse leer fuhren. Die Läden der Zeitungskioske waren geschlossen — die Zeitungen kamen mit reduzierter Seitenzahl heraus und wurden erst nach Streikende ausgeliefert. Nur viele Bars hatten geöffnet, in denen Madrider in Erwartung des Streikendes um zwölf Uhr Kaffee tranken. In den Fußgängerzonen schlenderten Angestellte, die Handtasche untergeklemmt, an den verrammelten Läden vorbei, während sich vor dem Kaufhaus El Corte Ingles Polizisten und Streikposten gegenüberstanden.

Am Tag zuvor hatte im Baskenland ein ganztägiger Generalstreik den nationalen Ausstand eingeleitet. Zu den Zielen des Ausstands — Rücknahme des neuen Gesetzesprojekts der Regierung zum Streikrecht und Rücknahme der Einsparungen beim Arbeitslosengeld — kommt im Baskenland die massive Sorge wegen der Krise in der Schwerindustrie.

Der donnerstägliche Ausstand, der offiziell um 12 Uhr mittags zu Ende ging, dauerte in mehreren spanischen Provinzen den ganzen Tag. Der Regierung war es in den Vortagen — mit kräftiger Unterstützung seitens der Medien — gelungen, die öffentliche Aufmerksamkeit von den Gründen für den Streik weg- und zur angeblichen Gefährlichkeit der Streikposten hinzulenken. In mehreren Städten hatte der Regierungsdelegierte — der lange Arm Madrids in den Provinzen — Demonstrationen am Streiktag wegen angeblicher Gefahr für die öffentliche Ordnung verboten, allerdings hatten Gerichte die Verbote rückgängig gemacht. In mehreren Orten hatte die Leitung der Guardia Civil ihre Mitglieder angewiesen, Informationen über Streikwillige einzuholen.

In einem Klima der Drohungen und massiver Polizeipräsenz war wenig von dem Enthusiasmus zu spüren, der beim Generalstreik vor vier Jahren einen Hauch von Revolution in die Städte geweht hatte. Es war kein Forderungs-, sondern ein Verteidigungsstreik. „Ausweitung des Arbeitslosengelds“, so hatte vor vier Jahren eine Forderung gelautet. Heute heißt sie: „Keine Rücknahme des Arbeitslosengelds“. „Ein größeres Stück vom Kuchen!“, hieß damals die Devise. „Damit nicht immer dieselben bezahlen“, heißt sie heute. Die Gewerkschaften hätten den Streik verloren, erklärte am Donnerstag mittag der stellvertretende Premierminister Narcis Serra, weil die Regierung danach ihre Position nicht verändern werde. Sie sei bereit zu verhandeln, aber die Gewerkschaften müßten die neue Regelung zum Arbeitslosengeld akzeptieren.

Die Gewerkschaften zeigten sich hingegen naturgemäß von der Befolgung des Ausstands erfreut und forderten die Regierung auf, die beiden umstrittenen Vorhaben auszusetzen und sich mit den Gewerkschaften an einen Tisch zu setzen.

Die Arbeitnehmervertreter werden sich jedoch gut überlegen, ob sie den ganztägigen Generalstreik ausrufen werden, mit dem sie für den Herbst gedroht haben: Der Enthusiasmus ist weg. Und beim nächsten Mal könnte der Schlag nach hinten losgehen.