: Die Sanktionsspirale beginnt sich zu drehen
Nach der blutigen Artillerieattacke serbischer Freischärler auf Zivilisten in der Altstadt von Sarajevo hat sich die Gangart der internationalen Diplomatie gegenüber Rumpfjugoslawien verschärft. Die EG verhängte auf Botschafterebene ein vollständiges Handelsembargo, das noch diese Woche durch den Außenministerrat in Kraft gesetzt werden soll.
Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist umstritten. Serbien und Montenegro wickeln knapp die Hälfte ihres Außenhandels mit den EG-Staaten ab. Von strategischer Bedeutung ist dabei u.a. der Ersatzteilimport Rumpfjugoslawiens für den Bereich der Energieerzeugung und des Verkehrs. Betroffen sind auch diejenigen Projekte, die mit EG-Mitteln finanziert werden sollten. Im Export wird die Leichtindustrie (z.B. Textilien), die auf die westlichen Märkte orientiert ist, unmittelbar Einbußen erleiden. Für die Lebensmittelversorgung wird das Embargo keine direkten Folgen haben. Die Regierung in Belgrad verweist auf gefüllte Lager und die Aussicht einer guten Ernte. Der EG-Beschluß sieht keine Sperrung der Auslandskonten vor. Wahrscheinlich, weil in den vergangenen Monaten die serbische Regierung Zeit genug hatte, sie zu leeren.
Außenminister Klaus Kinkel hat sich mit einem Schreiben an den UNO-Generalsekretär Butros Ghali, die europäischen Mitglieder des Weltsicherheitsrats und die USA gewandt. Darin fordert er die UNO dazu auf, sich dem EG-Embargo anzuschließen. Ausdrücklich nennt Kinkel die Notwendigkeit eines allgemeinen Öl- bzw. Treibstoffembargos. Außerdem müsse der Flughafen Sarajevo zur Sicherheitszone erklärt werden, damit Lebensmittel und Medikamente ihr Ziel erreichen könnten.
Nach der Sitzung des Weltsicherheitsrats am Mittwoch war es noch vollkommen offen, ob sich dieses Gremium zu einem allgemeinen Embargo entschließen wird. Speziell das Embargo für Öl und Raffinerieprodukte kann nur wirksam werden, wenn Rußland und China, von denen Jugoslawien drei Viertel seines Bedarfs bezieht, eine entsprechende Resolution passieren lassen. Rußlands Außenminister Andrej Kosyrew, der sich nach seiner gescheiterten Waffenstillstandsmission am Mittwoch in Skopje aufhielt, erklärte, sein Land werde „einen anderen Ton anschlagen“, wenn die „Überzeugung in Freundschaft“ nichts fruchte. Damit bekräftigte die russische Diplomatie ihre Bereitschaft, für Sanktionen zu stimmen. Die chinesische Regierung erwägt von sich aus keine Sanktion. Man rechnet damit, daß die Volksrepublik sich eine Stimmenthaltung im Sicherheitsrat wird hoch bezahlen lassen. China hat in der Vergangenheit stets davor gewarnt, das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten auszuhöhlen. C.S.
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