Die absolut Geniale war ich nie

■ Hockey-Nationalspielerin Heike Gehrmann, Vahr, über Olympia und Popularität

hierhin bitte

die Frau

(kurzhaarig, blond)

Heike GehrmannFoto: Hake

Wen kümmert es, daß eine schon 55 mal in der Nationalauswahl gespielt hat mit gerade 24 Jahren? Daß eine schon mal Olympionikin war und Junioren-Weltmeisterin und Vize-Europameisterin? Wen interessiert solch eine Bilanz, die doch nur in der Rand-Disziplin Hockey aufgestellt worden ist, noch dazu von einer Frau? „Wenige. Hockey ist ein Insidersport“, sagt Heike Gehrmann, 24, Olympiateilnehmerin 88, Junioren-Weltmeisterin, 55 Länderspiele.

Schwer verständlich ist das Regelwerk, die Betonung liegt weniger auf Action als auf technischer Virtuosität: „Richtig massenwirksam wird unsere Sportart damit nie.“ Und richtig populär werden die Hockey-Aktivistinnen auch nicht: Als Heike noch Nationalspielerin war, gab es „so drei bis vier Fanbriefe im Monat“, seit sie nur noch für den „Club zur Vahr“ aktiv ist, sind es weniger.

Dabei ist der noble Vahrer Verein eine Hockey-Hochburg. In der Hallensaison hat sich vor Monaten die Rekordzahl von 450 Zuschauern eingefunden, im Freien stellen sich immerhin durchschnittlich 50 Interessierte an den Spielfeldrand, wenn die Akteurinnen antreten. „Das klingt nicht gerade überragend“, sagt Heike Gehrmann, „aber im Vergleich zu anderen Clubs stehen wir damit noch immer gut da.“ Im Vergleich zu Leverkusen etwa: Die sind eine der ersten Adressen im deutschen Hockey und locken trotzdem selten mehr als 20 Leute.

Als große Nummer dürfen sich die Vahrerinnen nicht mehr fühlen, nachdem vor der letzten Saison die halbe Stammauswahl den Verein verlassen hat und durch zwar talentierte, doch unerfahrene Nachwuchskräfte ersetzt werden mußte. Heike Gehrmann, eine der Routiniertesten im Team, hatte sich anfangs vorgenommen, ihren Nebenspielerinnen die Richtung zu weisen. Nach wenigen Matches bereits war der Plan Makulatur: „Zwei, drei Nachwuchsleute kannst du noch einbauen, aber bei uns waren zuviele Junge dabei. Da gab's das Chaos.“ Hinzu kam arges Verletzungspech, die Torfrau fiel lange aus. Am Ende standen ganze drei Punkte; nach vier Jahren Bundesliga ging es eine Etage hinab, in die Regionalliga.

Für Heike Gehrmann war das die Folge eines unabänderlichen Prozesses: Die Spielerinnen — allesamt Amateure — können nicht in der Stadt gehalten werden, wenn sie sich beruflich verändern wollen. Die meisten bleiben nur bis zum Abitur in Bremen, danach schnüren sie ihr Bündel — demnächst wird die Vahrer Torjägerin Svenja Hansson nach Hamburg übersiedeln. Heike Gehrmann: „Die Bremer Uni ist einfach nicht attraktiv genug im Vergleich etwa zu Hamburg oder Hannover.“

Heike wird nicht gehen. Die gebürtige Bremerin hat mit sieben Jahren angefangen, für den Club zur Vahr den Schläger zu schwingen. Die Eltern, der Bruder haben schon gespielt, „eigentlich habe ich nicht begonnen mit dem Hockey, sondern bin da richtig reingewachsen.“ Wie die meisten Kolleginnen hat sie ihr Abitur gemacht, danach eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Ab Herbst wird sich ein BWL-Studium anschließen, in Bremen, „weil ich ein bodenständiger Typ bin.“

Vorher schaut sie nach Barcelona, zum olympischen Hockeyturnier, wo das deutsche Nationalteam die Kellen kreuzen wird. Ohne Heike. Die Bremerin zählt nicht mehr zum Kader, seitdem der Bundestrainer verstärkt auf den Nachwuchs setzt und die Etablierten aussortiert. Die Maßnahme sei bestimmt „weitsichtig und richtig“, meint Heike Gehrmann, die nicht so vermessen ist, ihre Hockey-Künste für unersetzbar zu halten. „Ich habe mir vieles erarbeitet, die absolut Geniale war ich nie — da verstehe ich den Trainer schon, wenn er mal was Neues probiert.“

Heike Gehrmann — kürzlich als eine der „Bremer Sportlerinnen des Jahres 1991“ geehrt — braucht keine olympischen Erlebnisse mehr — regionale Herausforderungen haben auch ihren Reiz: „Daß wir mit dem Club zur Vahr zurückkommen in die Bundesliga, das ist mir ehrlich gesagt genauso wichtig.“ Holger Gertz