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Ivan Illich will „Freie Remberti-Universität“

■ Anstelle „40.000 lackierter Kampfhunde“: Rembertikreisel soll wieder zum Platz der Anwohner werden

Auf dem seit über 20 Jahren wild zugewachsenen Flecken Natur mitten im „Rembertikreisel“ fand am Sonntag vormittag ein intellektuelles Picknick statt, das als Gründungsversammlung der „Freien Universität Remberti“ in die Geschichte eingehen soll. Als „Nachdenken mit Ivan Illich“ war die Versammlung per Flugzettel angekündigt. Aus den umliegenden Straßen kamen Jung und Alt mit dem Freundeskreis des derzeit in Bremen lebenden Sozialphilosophen Illich zusammen, um über die Stadtplanungsruine „Rembertikreisel“ zu reden. Von jenseits der Weser war Olaf Dinnée dazu geladen, auf dessen Engagement in den Bürgerinitiativen der frühen 70er Jahre die Verhinderung der „Mozarttrasse“ quer durch das Ostertorviertel maßgeblich zurückging.

Kaum hatte die bunte Gesellschaft sich auf Decken und mitgebrachten Klappstühlen niedergelassen, kamen zwei Herren in Polizeiuniform und verlangten nach einem „Verantwortlichen“. Eine Journalistin beruhigte die Ordnungshüter, daß keine Störung des Straßenverkehrs geplant sei.

„40.000 lackierte Kampfhunde“, wie Kristen Müller aus der Runde die Autos nannte, jagen täglich an dem Rembertikreisel vorbei. Die zu vertreiben und den gewonnenen Platz zum Ort gemeinschaftlichen Lebens für die Anwohner zu machen ist das Ziel der Initiative.

„Olaf, erzähl Du doch mal die Geschichte dieses Platzes“, forderte der Konrektor der Universität, Christian Marzahn, den Initator der frühen Bürgerinitiative zur Rettung des Ostertor auf. Der erinnerte an die Planung von 1926, Bremen mit vier Schnellstraßen-Tangenten zu erschließen: Die Hochstraße vor dem Bahnhof ist inzwischen gebaut, die Neuenlander Straße ist die südliche Achse, die B 75 nach Delmenhorst, die die City von Walle abschneidet, ist die westliche Tangente. Nur die östliche Achse, die auf der Höhe der Mozartstraße vierspurig das Ostertorviertel zerschneiden und dann quer über den Werdersee getrieben werden sollte, konnte damals verhindert werden. „Am 5.12.73“, sagt Olaf Dinne stolz. Das Datum hat er sich gemerkt, er braucht es, wenn er zu seiner Bank geht. Dinnée hat sich aber resigniert aus der Stadtpolitik zu seinen Schafen zurückgezogen: „Die Betonentwicklung nimmt ja ihren Fortgang.“

Für Illich ist das wilde Stück Niemandsland eine intellektuelle Herausforderung: „Für einen Wanderer wie mich ist das etwas Ungewöhnliches“, sagt er, und gibt gleich eine Strategie aus: „Zementmauern kann man nur mit Wurzeln sprengen“. Im Ideenwettbewerb um die Einbeziehung des Niemandslandes in geordnete Stadtplanung hatten Kristen Müller und Erhard Heimsath einen radikalen Plan vorgelegt, der offiziell verworfen wurde: Ausgangspunkt ist für sie

Ivan Illich (auf der Wolldecke sitzend), Olaf Dinnée (rechts stehend), interessierte Anwohner des Rembertikreisels beim Sonntags-NachdenkenF. Heller

die „Idee, daß der Durchgangsverkehr hier überflüssig ist“. Die Hochstraße vor dem Bahnhof soll als Parkplatz genutzt werden, am Ende des Betonwerkes Höhe Rembertistraße sollen wie ein symbolischer Stopfen eine Fahr

hier foto

mit den

leuten beim

picknick

auf der

wiese

radstation und ein Automuseum entstehen. Rembertistraße, Fedelhören und 'Auf den Häfen' sollen als die historischen Wege für die hier lebende Bevölkerung wiederhergestellt werden, der gesamte Platz des in den 60er Jahren niedergerissenen Wohngebietes, der heute dem Durchgangsverkehr beim Rembertikreisel dient, wird Liegewiese, mittendrin das „Sindbad“, ein Cafe für Geschichtenerzähler...

„Ist das Cafe eröffnet?“, ruft Illich in den Kreis. Und dann erzählt er, von der absurden Planung des „Fortschritts“ der Wasser-Klos in Mexiko, von der Notwendigkeit, die Bürokratie zu „verlächerlichen“. Die Runde, im Kreis der frühere Bau-Staatsrat Osthaus, hört gebannt zu.

Früher campierten hier öfter türkische Familien und ließen ihre Kinder frei spielen, an ihre Stelle sind Drogenabhängige getreten und haben in den Büschen „Nester“ angelegt — ihr Müll macht den Wiesenplatz unwirtlich. Das soll sich ändern. Die Ampel-Phasen sollen verlängert werden, damit Fußgänger den Platz überhaupt bequem erreichen können. „Warum machen wir hier nicht die Freie Remberti- Universität auf?“, fragt Illich. Er will renommierte Köpfe aus aller Welt hierher zu Veranstaltungen einladen. „Das Problem ist nur das Wetter“, sagt eine Frau, die unter einem Klapptisch Schatten sucht. Die alternative Planung sei typisches Männerwerk, wirft ein Mann ein, ein Glasdach muß her.

Die Runde ist sich einig: der Platz soll für das städtische Leben zurückgewonnen werden, das sind die „Wurzeln“, die die Beton-Stadtplanung sprengen sollen. „Jetzt kann das losgehen, was auch immer ihr wollt.“ K.W.

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