: Der Funkstadel wird ausgemistet
Der Bayerische Rundfunk präsentiert heute seine renovierte Massenwelle B3 ■ Von Ejo Eckerle
Guns N'Roses kennt er, Nirvana auch und KLF sowieso — What time is love wummert doch gerade aus dem Nebenzimmer herüber. So schnell läßt sich Rüdiger Stolze, Wellen-Chef des Dritten Hörfunkprogramms des Bayerischen Rundfunks, nicht aufs Glatteis führen. Denn wer die Vokabeln „jung“, „modern“ und „aufgeschlossen“ zur Zeit unablässig im Munde führt, muß schon wissen, was die Zielgruppe will. Der 52jährige BR-Redakteur ist angetreten, den weiß-blauen Funkstadel auszumisten. Ab heute soll ein ganz neues „Bayern Drei“ im Land der Täler und Berge erschallen. „Ein durchhörbares Programm ohne Blasmusik und Lederhose lautet das Konzept“, verspricht die Presseinformation des Senders.
Eigentlich wollte sich Hörfunkdirektor Ernst Emrich in seiner dreijährigen Amtszeit keine Programmstrukturreform aufladen, aber die nackten Zahlen ließen keine andere Wahl. Dem BR liefen selbst auf seiner Massenwelle die Hörer davon, vor allem die ganz jungen. Der durchschnittliche Bayern-Drei-Lauscher ist derzeit 40 Jahre alt, die Kundschaft der Konkurrenz, des landesweiten Privatdudlers Antenne Bayern, liegt im Schnitt zehn Jahre darunter. Dazu kamen die Einbußen in der Hörfunkwerbung: Rund ein Viertel seiner Werbeeinnahmen hat der BR in den letzten beiden Jahren verloren, im Gesamtetat machen sie nur noch 15 statt wie zu besseren Zeiten 20 Prozent aus.
Daß sich Bayerns Jugend lieber privat als öffentlich-rechtlich versorgen ließ, wundert Programmmacher Stolze nicht. „Im bisherigen Programm fehlte oft die Perspektive von jüngeren Leuten.“ Der juvenile Themenmix findet sich künftig in der Sendung Super3 zweimal täglich. Außerdem hat sich der Programm- Chef eine deutlich verjüngte Mannschaft angelacht, darunter Leute, die schon mit 16 Jahren an dem Mischpult eines Privatsenders saßen. Die kommen vor allem aus der Nürnberger Privatradioszene, zusammen mit dem Kabarettisten-Ehepaar Ute und Uwe Weiherer.
Viel böses Blut ist in Wallung geraten, nachdem bekanntwurde, welche Moderatoren nach dem Stichtag der Programmreform höchstwahrscheinlich nicht mehr auf dem Sender zu hören sein werden. Altgediente Radiohasen fühlen sich aufs Abstellgleis geschoben — aus der Sicht von B3-Chef Stolze ist die Entscheidung nur konsequent: „Wir müssen ein neues Produkt machen. Dafür brauchen wir neue Stimmen.“ Kündigungen habe es keine gegeben, dementierte Hörfunkdirektor Emrich entsprechende Gerüchte. Mit einer Einschränkung: Zehn festen freien Mitarbeitern, in erster Linie Musikmoderatoren, wurde mitgeteilt, daß auf Bayern3 in Zukunft für sie kein Platz mehr ist, „selbstverständlich berührt dies aber nicht die Mitarbeit in anderen Bereichen des Bayerischen Rundfunks“.
Reine Musiksendungen sind im neuen Konzept eben nicht mehr vorgesehen. In Zeiten, wo die „durchhörbare“ Begleitwelle den Äther bestimmt, muß „eine geschickte Verpackung mit gleitenden Übergängen das Um- oder gar Ausschalten überflüssig machen“. Das bedeutet: Programmflächen statt Sendungen. Eine beständige Quelle des Ärgers sowohl bei Hörern als auch den Programmgestaltern war die Musikgestaltung beim alten B3. Vor Stolzes Amtsantritt führte über sie Unterhaltungschef Claus-Erich Boetzkes ein strenges Regiment mit der Folge, daß eine wilde Mischung aus Nicki, Naabtal- Duo und Neil Young die Ohren malträtierte. Jetzt werden die Musikredakteure von zwei Formatphilosophen an die lange Leine gelegt. Tagsüber klingt es nach „AC“ (Adult Contemporary) und soll den Geschmack der „jüngeren Erwachsenen“ treffen, abends dürfen sich die Kids „CHR“ (Contemporary Hit Radio) reinziehen.
Vorbei auch die Zeiten, wo Wortbeiträge geballt in Informationssendungen auftraten. Jetzt soll eine Wortuhr festlegen, wann zu bestimmten Tageszeiten welcher Beitrag dem Hörer zugemutet werden kann. Für die akustische Reportage etwa ist um 11.20 Uhr Zeit, das tägliche Bayern-Thema muß dagegen bis 16.40 Uhr warten. Die Medienforschung, so scheint es, hat die Radiomacher fest im Griff. Nichts mehr wird dem Zufall überlassen.
Vielleicht denkt Hörfunk-Veteran Stolze manchmal an seine frühen Radiotage zurück. Damals, in den sechziger und siebziger Jahren, moderierte er den legendären Club 16. Es war die Zeit, wo Radio noch nicht zum Nebenbeimedium herunterdefiniert war und der Funk noch einiges bewegen konnte. Was Radio heute leistet, beschreibt Stolze so: „Es kann die Arbeit im Büro, die Hausarbeit oder das Stehen im Stau erträglicher machen.“
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