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Zerstören Umweltgesetze die Natur?

Im Vorfeld der UN-Umweltkonferenz machen die Wirtschaftsvertreter klar, daß allein der freie Markt die Umwelt retten könne/ Greenpeace: Unternehmerdiskurs ist ökologische Augenwischerei  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) — Nach dem Siegeszug über den Kommunismus feiert die „Freie Marktwirtschaft“ bei der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) ihren zweiten großen Triumph: Drei Tage vor Konferenzbeginn scheint die Industrie die Schlacht gegen den Umweltschutz gewonnen zu haben. Die Unternehmer genießen den besonderen Segen von UNCED-Generalsekretär Maurice Strong. „Die Wirtschaft muß sich umstellen. Sie zeigen uns, wie man es macht“, lobte der Kanadier auf der Tagung des internationalen Unternehmerverbandes „Business Council For Sustainable Development“ (BCSD) deren Vorsitzenden Stephan Schmidheiny.

Das Rezept der Unternehmer für Umweltschutz heißt „nachhaltige Entwicklung“. Dies bedeutet, daß bei der Ausbeutung der Rohstoffe und Energievorkommen nicht nur die Versorgung der jetzigen Bevölkerung, sondern auch die Bedürfnisse künftiger Generationen mitberücksichtigt werden sollen. Wirtschaftliches Wachstum ist nach Ansicht der Industrievertreter jedoch Grundlage für wirkungsvollen Umweltschutz. In einer Empfehlung der Internationalen Handelskammer (CCI), die am Wochenende in Rio zu einem zweitägigen Industrieforum eingeladen hatte, wird der Freie Markt als „Schlüssel“ des sustainable development bezeichnet. Gesetzliche Regelungen, zusätzliche Steuern sowie der Zwang zum Technologietransfer könnten der jeweiligen nationalen Wirtschaft schweren Schaden zufügen, ohne Verbesserungen für die Umwelt zu bewirken, warnen die tausend Unterzeichner. CCI-Vorsitzender Joseph Connor mahnt deshalb die Regierungen, „einseitige Maßnahmen“ sowie „grünen Protektionismus“ künftig zu vermeiden. „Freiwillige Energie bringt bessere Ergebnisse hervor“, belehrte Giorgio Porta, Vorsitzender des italienischen Chemiekonzerns Enichem die Konferenzteilnehmer. Die Resultate exzessiver Umweltschutzgesetzgebung seien äußerst bescheiden. Entscheidungen müßten auf wissenschaftlichen Grundlagen, nicht auf Gefühlen und schon gar nicht auf politischen Erwägungen beruhen. Robert D. Kennedy, Vorsitzender der Union Carbide Corporation, ist da etwas vorsichtiger. Es müsse eine Gesetzgebung existieren, erklärte er, doch oft schreibe das Gesetz nicht nur das Ziel, sondern auch die Methode vor. „Dazu fehlt den Politikern das technische Wissen“, verteidigte er die Skepsis der Unternehmer gegenüber neuen Regelungen. Seit der Katastrophe von Bhopal in Indien im Jahr 1984 ist der weltweite Jahresumsatz der Union Carbide von zehn auf fünf Milliarden Dollar gesunken. Statt 120.000 Mitarbeiter beschäftigt die Firma heute gerade noch 16.000 Angestellte. 470 Millionen Dollar Entschädigung an die Regierung Indiens hat die Firma der Unfall gekostet. Seitdem investiert Union Carbide sechs Prozent seines Gesamtumsatzes in den Bereich Umweltschutz und Sicherheit. „Es gibt genügend schlechte Beispiele für unterschiedliche Sicherheitsstandards in den Fabriken der Ersten und Dritten Welt“, räumte Kennedy ein. Die Chemieindustrie sei eine Risikoindustrie, es gäbe immer noch Störfälle. Seiner Meinung müsse man sich auf internationale Sicherheitsstandards einigen.

Wenn es um den von Umweltschützern geforderten Technologietransfer von den Industrienationen in die Entwicklungsländer geht, bleibt jedoch auch der katastrophengeprüfte Kennedy hart: „Wenn der Transfer das kostenlose Weiterreichen von Technologie ohne die Möglichkeit zur Investition bedeutet, wird er nicht stattfinden.“ Handelsbeziehungen zwischen einzelnen Firmen zu beiderseitigem Vorteil seien die beste Grundlage für den Austausch neuester Technologien. Wichtig sei, daß während der UNCED ein effizientes System zum Schutz des geistigen Eigentums geschaffen würde. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace deckt in dem anläßlich der UNCED herausgegebenen Bericht „Greenwash“ die wahren Motive der technologischen Kooperation auf: „Die Kooperation erlaubt es den Firmen, den Fluß von Informationen streng zu kontrollieren, auch wenn die Quelle des Wissens aus dem Süden stammt. Die Zusammenarbeit führt dazu, daß die aus den neuen Technologien gewonnenen Profite bei der Firma bleiben, und nicht in dem Land, wo die Methode entwickelt und getestet wurde.“ Für Greenpeace ist der Unternehmerdiskurs nichts anderes als ökologische Augenwischerei. Die Umweltschützer aus der Chefetage würden in eigener Sache lobbyieren. Die Aktivisten fürchten, daß angesichts des starken Einflusses der Internationalen Handelskammer und des BCSD bei den UNCED-Vorbereitungen die Konferenz zu einer Waschanlage für industrielle Dreckschleudern verkommt. „Hinter den umweltpolitischen Initiativen der Unternehmer liegt die Produktion von Chemikalien, die die Ozonschicht vernichten, extrem giftigen Pestiziden und Atomkraftwerken. Die internationalen Konzerne könnten zusammen mit einigen Regierungen den Erdgipfel für sich entführen und damit die einmalige Chance zerstören, die Schritte für eine ökologisch und sozial verträgliche Entwicklung festzulegen“, heißt es in dem „Greenwash“-Dokument.

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